Protektionismus : EU verschärft Handelsstreit mit China
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Neue Handelsbarrieren: Die Kommissare Michel Barnier und Karel de Gucht drohen Amerika und China. Bild: dpa
Die EU beklagt, dass europäische Unternehmen kaum Zugang zu öffentlichen Aufträgen in China hätten. Nun plant die Kommission im Gegenzug, Nicht-EU-Unternehmen notfalls von Aufträgen in Europa auszuschließen. „Wir können es uns nicht länger erlauben, blauäugig zu sein“, sagt Binnenmarktkommissar Barnier.
Im Handelsstreit mit China und den Vereinigten Staaten verschärft die EU-Kommission die Gangart. Ein am Mittwoch vorgelegter Verordnungsvorschlag soll ihr letztlich das Recht einräumen, Nicht-EU-Unternehmen von der Vergabe öffentlicher Aufträge in Europa auszuschließen, wenn die betroffenen Länder nicht ihrerseits ihre öffentlichen Beschaffungsmärkte öffnen. „Wir können es uns nicht länger erlauben, blauäugig zu sein“, sagte Binnenmarktkommissar Michel Barnier am Mittwoch.
Die Kommission sei zwar wie bisher überzeugt, dass die Öffnung der Beschaffungsmärkte in Europa und in der ganzen Welt Vorteile bringe. Dies gelte aber nur, „wenn unsere Unternehmen faire Wettbewerbsbedingungen vorfinden“. Er werde sich weiterhin dafür einsetzen, „europäische Interessen sowie europäische Unternehmen und Arbeitsplätze zu verteidigen“, sagte Barnier.
De Gucht: „Wir brauchen mehr Druck“
Handelskommissar Karel De Gucht erklärte, der Vorstoß der Behörde werde es der EU erleichtern, eine Öffnung der Beschaffungsmärkte in anderen Ländern durchzusetzen. Die Initiative stehe im Übrigen in Einklang mit den Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO). „Wir brauchen mehr Druck“, sagte De Gucht. Die EU sei der offenste Markt der Welt. Nun müssten auch die ausländischen Beschaffungsmärkte aufgebrochen werden. Dem Vernehmen nach ging dem Kommissionsbeschluss eine kontroverse Diskussion voraus. Einige liberale Kommissare hätten Bedenken geäußert, hieß es in Brüssel.
Der Vorschlag sieht vor, dass sich öffentliche Auftraggeber künftig durch die Kommission den Ausschluss bestimmter Anbieter genehmigen lassen können, wenn diese aus Ländern stammen, die „keinen bestehenden internationalen Vereinbarungen unterliegen“. Diese Klausel zielt vor allem auf China. Wenn ein Drittland europäische Anbieter wiederholt und schwerwiegend diskriminiert, soll die Kommission Unternehmen aus diesen Ländern künftig den Marktzugang beschränken können, wenn das betreffende Land nicht seinerseits bereit ist, Verhandlungen zur Marktöffnung aufzunehmen. Barnier und De Gucht versicherten, der Vorstoß sei als „Anreiz“ für die Handelspartner gedacht, ihre Beschaffungsmärkte zu öffnen. Die EU bleibe an allgemeinen Marktöffnungsregelungen auf WTO-Ebene sehr interessiert.
Offenkundig strebt die Kommission für ihre Entscheidung in jedem Einzelfall möglichst viel Entscheidungsspielraum an. Deshalb ist offen, wie stark sie den Zugang zu den öffentlichen Aufträgen in einem konkreten Fall wirklich einschränken würde. Der Vorschlag der Behörde bedarf der Zustimmung des Europaparlaments und der Mitgliedstaaten.
Die Kommission beklagt seit langem, dass europäische Unternehmen außerhalb der EU zu wenige öffentliche Aufträge erhalten. Das Volumen öffentlicher Aufträge in aller Welt bezifferte sie auf rund eine Billion Euro jährlich. In den Vereinigten Staaten seien aber nur 32 Prozent, in Japan nur 28 Prozent der öffentlichen Aufträge für ausländische Anbieter zugänglich. Für China nennt die Behörde keine Zahlen, sondern spricht lediglich davon, dass europäische Unternehmen zu einem geringen Anteil Zugang zu den öffentlichen Aufträgen hätten. Dagegen sei der europäische Markt zu 85 Prozent offen. 19 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entfielen in der EU auf das öffentliche Auftragswesen. Die Kommission bestreitet, dass sich ihr Vorstoß auf bestimmte Länder richtet. Es gehe um „alle Länder, die ihre öffentlichen Beschaffungsmärkte nicht im in dem Maße öffnen, wie es die EU tut“. China war erst in der vergangenen Woche wegen seiner Exportbeschränkungen für knappe und wichtige Rohstoffe ins Visier seiner Handelspartner geraten (F.A.Z. vom 14. März). Keine Lösung in Sicht ist derzeit auch im Streit um die von der EU beschlossenen Einbeziehungen europäischer und nichteuropäischer Fluggesellschaften in das Emissionshandelssystem (ETS).