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Plastikmüll-Fonds : Wirtschaft warnt vor Doppelbelastung für Bürger

Durch Plastik verschmutzte Gewässer wie hier in Serbien belasten die Umwelt. Bild: dpa

Unternehmen sollen Reinigungsarbeiten über eine Einwegkunststoffabgabe finanzieren. Richtig so, sagen Umweltverbände und Kommunen. Die Wirtschaft ist anderer Meinung.

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          Mit der Plastikvermüllung soll Schluss sein. Selbst entlegene Ökosysteme wie die Arktis werden durch Plastikabfälle auch aus Deutschland belastet, wie eine neue Studie des Alfred-Wegener-Instituts zeigt. Ob allerdings die geplante Herstellerabgabe auf Einwegkunststoffe ein passendes Instrument im Kampf gegen den Plastikmüll ist, darüber gingen die Ansichten von Verbändevertretern und Fachleuten bei einer Anhörung im Bundestag am Mittwoch auseinander.

          Katja Gelinsky
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin

          Während Umweltschützer und Wissenschaftler die Notwendigkeit betonten, Hersteller von Einwegkunststoff finanziell für die Umweltfolgen ihrer Produkte in die Verantwortung zu nehmen, kritisierten Wirtschaftsverbände, die geplante staatliche Sonderabgabe sei zu hoch; letztlich würden die Bürger doppelt für die Müllbeseitigung zur Kasse gebeten.

          Nach den Plänen der Bundesregierung sollen rund 55.000 Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte von 2025 an jährlich 434 Millionen Euro in einen staatlichen Fonds einzahlen. Damit sollen Reinigungs-, Entsorgungs- und sogenannte Sensibilisierungskosten der Kommunen finanziert werden. Aus Sicht der Umweltverbände NABU und BUND sowie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt, Energie ist die Sonderabgabe ein wichtiger Baustein, um die Vermüllung durch Einwegplastik einzudämmen. Doch müssten weitere Maßnahmen folgen, um Einweg zu reduzieren. Der NABU fordert, die Unternehmen sollten jährlich zusätzliche 130 Millionen Euro zahlen, „damit die Reinigungsarbeiten ausgeweitet werden können und so künftig weniger Plastik die Natur belastet“.

          „Muss an die Privathaushalte weitergegeben werden“

          Dagegen weist die Arbeitsgemeinschaft Verpackung und Umwelt darauf hin, dass die geplante Mehrbelastung die schon gezahlten Verpackungslizenzgebühren teilweise um das Doppelte übertreffe. „Damit hat die Kostenüberwälzung an die Wirtschaft jedes Maß verloren und muss unweigerlich an die Privathaushalte weitergegeben werden“, kritisiert der Unternehmensverband.

          Den Bürgern drohe nun eine doppelte Belastung, mahnt ein Bündnis mehrerer Wirtschaftsverbände: einerseits durch die Abfallgebühren und andererseits durch den Aufschlag der zusätzlichen Kosten auf die Produktpreise. Der aktuelle Vorschlag führe auch deshalb zu einer Schieflage, weil nur 5,6 Prozent der gesamten Abfälle im öffentlichen Raum auf die betroffenen Produkte zurückzuführen seien. Trotzdem sollten die Unternehmen 17 Prozent der gesamten Sammlungs- und Reinigungskosten der Kommunen tragen.

          Alle Einwegprodukte verbieten?

          Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände äußert die Sorge, dass sich der Fonds in kurzer Zeit „leerläuft“. Es sei damit zu rechnen, dass die Einwegkunststoffprodukte bald durch andere Einwegprodukte ersetzt würden. Der Reinigungsaufwand der Kommunen bleibe aber bestehen, wenn dann Verpackungsmüll aus anderen Materialen anfiele. Es sei bedauerlich, dass das federführende Bundesumweltministerium von Steffi Lemke (Grüne) bislang eine Eins-zu-eins-Umsetzung der EU-Einwegkunststoffrichtlinie anstrebe. Politisches Ziel müsse es sein, alle Einwegprodukte, unabhängig von ihrer Materialbeschaffenheit, zurückzudrängen, fordert auch der Verband kommunaler Unternehmen.

          Der BUND fordert, speziell bei Plastik auch den enormen Verbrauch fossiler Ressourcen zu bedenken. Die Plastikproduktion sei führend beim indus­triellen Öl-, Gas- und Stromverbrauch in der EU und stelle andere energieintensive Branchen wie Stahl oder Automobilbau in den Schatten. In Deutschland entfallen 24 Prozent des industriellen Gasverbrauchs und 42 Prozent des industriellen Ölverbrauchs auf die Plastikproduktion. Die Plastikkrise sei Abfall- und Ressourcenkrise und somit auch ein enormer Treiber für den Klimawandel.

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