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Plan von Seehofer : Passfotos nur noch unter staatlicher Aufsicht

  • -Aktualisiert am

Muster des neuen Personalausweises zeigen in Berlin in der Bundesdruckerei das Passfoto von Erika Mustermann (Bild aus 2010). Bild: dapd

Das Bundesinnenministerium will Ausweisdokumente sicherer machen – zum Leidwesen der Fotohändler. Günstig ist der Plan nicht gerade.

          2 Min.

          Es ist eine eingeübte Routine: Wer auf dem Bürgeramt einen neuen Pass oder Personalausweis beantragen will, muss vorher Passfotos machen lassen. Entweder im Fotofachhandel oder im Automaten – je nach Budget und ästhetischem Anspruch. Doch damit wird es nach den Plänen von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bald vorbei sein. Er plant ein neues Gesetz, wonach Passfotos nur noch „vor Ort unter Aufsicht der Passbehörde“ aufgenommen werden dürfen.

          Julia Löhr
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.

          Das Ministerium begründet das mit mehr Sicherheit. Mittels „Morphing“ könnten Fotos heute so manipuliert werden, dass mehrere Porträtaufnahmen zu einer verschmolzen würden. Die Folge: Mit einem solchen Pass „kann nicht nur der Passinhaber, sondern unter Umständen auch eine weitere Person, deren Gesichtszüge im Passbild enthalten sind, den Pass zum Grenzübertritt nutzen“, heißt es in dem Gesetzesentwurf, der der F.A.Z. vorliegt. „Die Funktion des Passes als Dokument zur Identitätskontrolle ist damit im Kern bedroht.“

          Für 177 Millionen Euro sollen deshalb innerhalb von fünf Jahren 11.000 Selbstbedienungsterminals für die rund 5500 Pass- und Ausweisbehörden in Deutschland angeschafft werden. Vereinzelt gibt es solche Geräte schon, etwa auf dem zentralen Bürgeramt in Frankfurt. Für fünf Euro können die Bürger dort Foto, Unterschrift und Fingerabdrücke digital speichern und an den Sachbearbeiter schicken lassen. Das Bundesinnenministerium rechnet damit, dass sich die Gebühren für Pass und Personalausweis durch das neue Verfahren um rund drei Euro erhöhen.

          „Existenzielle Bedrohung“

          Für die Bürger hat die Änderung Vorteile: Das lästige Beschaffen der Passbilder entfällt, ebenso das Feilschen mit den Mitarbeitern, ob ältere Fotos noch akzeptabel sind. Auch die Preise liegen zumindest etwas unter denen der Fotohändler, wo man meist vier Fotos nehmen muss und dafür schnell mal 15 Euro zahlt.

          Kein Wunder, dass die geplante Änderung dort überhaupt nicht gut ankommt. „Da die Fotohändler mit der Erstellung der Passbilder nicht nur den höchsten Deckungsbeitrag erzielen, sondern dieser Service auch maßgeblich für Kundenfrequenz in den Geschäften sorgt, würde dieser Plan Millionenumsätze im Handel vernichten“, schreiben Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands HDE, und Frank Schipper, Chef des Handelsverbands Technik, in einem Brief an Seehofer.

          „Angesichts der ohnehin angespannten Lage im stationären Einzelhandel stellt dies eine existenzielle Bedrohung für viele mittelständische Unternehmen dar.“ Die Umsätze im Fotofachhandel sind seit Jahren rückläufig. Rund 1000 Unternehmen gibt es in Deutschland noch. Im Jahr 2017 erwirtschafteten sie 570 Millionen Euro Umsatz. Aktuellere Zahlen gibt es nicht.

          Die Länder- und Verbändeanhörung zu dem Gesetzesentwurf läuft noch bis zum 28.Januar. Doch es klingt nicht so, als ob das Ministerium wegen des Protests seine Meinung noch einmal ändern will. Die Digitalisierung des Fotohandwerks könne der Gesetzgeber „nicht dadurch aufhalten, dass er für die Passbeantragung an der überholten und als bürokratisch empfundenen Vorlage eines analogen Lichtbildes festhält“, teilte ein Sprecher mit. Das Vertrauen in den deutschen Pass müsse international hoch bleiben. Eine weitere Änderung in dem „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen“ betrifft Eltern: Der Kinderreisepass soll künftig nicht mehr sechs Jahre gültig sein, sondern nur noch ein Jahr. Die Alternative ist ein sechs Jahre gültiger biometrischer Reisepass, der aber statt 13 Euro 37,50 Euro kostet.

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