Schutz gegen Naturgefahren : Sachverständige plädieren für ungeliebte Pflichtversicherung
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Viele Eigentümer von Wohngebäuden entscheiden sich ganz bewusst gegen eine Versicherung. Bild: dpa
Eine Basisversicherung gegen Elementarschäden soll nach Ansicht des Sachverständigenrat für Verbraucherfragen zur Pflicht werden. Denn viele Gebäudeeigentümer würden sich offenbar ganz bewusst gegen eine Versicherung entscheiden.
Eine Basisversicherung gegen Elementarschäden soll nach Ansicht des Sachverständigenrats für Verbraucherfragen zur Pflicht werden. Dafür wirbt der Rat mit neuen Daten und Erkenntnissen. „Ohne eine Versicherungspflicht, für die es eine Mehrheit bei den Wahlberechtigten gibt, bleiben auch weiterhin zu viele Gebäude unversichert und die Eigentümer im Notfall auf unkalkulierbare Staatshilfen angewiesen“, argumentiert der Ökonom Gert Wagner, der Mitglied des Sachverständigenrates und Mitautor der neuen Studie ist.
In der Untersuchung, die der F.A.Z. vorab vorliegt, heißt es, als Konsequenz der Sturzflut im Sommer 2021 und wegen der Folgen des Klimawandels müsse der Gesetzgeber den Rahmen für den Versicherungsschutz von Wohngebäuden gegen Naturgefahren verbessern. Darin sei man sich mit Versicherern und Verbraucherschützern einig. Noch immer seien weniger als die Hälfte der Wohngebäude in Deutschland gegen Naturgefahren versichert. In Rheinland-Pfalz betrage die Versicherungsdichte nur 37 Prozent. Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister hatte nach den Überschwemmungen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen beschlossen, dass die Arbeitsgruppe „Pflichtversicherung für Elementarschäden“ zur Konferenz im Juni einen neuen Bericht vorlegen soll.
Erhöhte Versicherungsdichte mit staatlicher Hilfe
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen unterstützt das zuständige Bundesministerium in der Gestaltung der Verbraucherpolitik, seit dem Regierungswechsel also das Haus von Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne). Für die politische Diskussion hat das Gremium die bislang vorliegenden Konzepte für die Ausweitung des Versicherungsschutzes verglichen: Seinem eigenen Papier aus dem Jahr 2019 stellt es neuere Vorschläge des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV) gegenüber. Erwartungsgemäß schneidet das Konzept des Sachverständigenrates am besten ab.
Einigkeit besteht darüber, dass sich eine Erhöhung der Versicherungsdichte nur mit staatlicher Hilfe erreichen lässt. Finanzschwache Haushalte in besonders riskanten Lagen wären sonst überfordert. Versicherer und Verbraucherschützer plädieren insgesamt aber für eine marktwirtschaftlichere Lösung als der Sachverständigenrat: Standardmäßig solle nach ihrer Ansicht eine Erweiterung der Wohngebäudeversicherung angeboten werden. Die Hauseigentümer sollten sich aber auch dagegen entscheiden können. Eine Versicherungspflicht für Elementarschäden solle es nicht geben. Der VZBV will sich aber eine Neubewertung vorbehalten, falls nach einer Frist von zwei Jahren eine Versicherungsdichte von 80 Prozent noch nicht erreicht ist.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Die Sachverständigen geben dagegen zu bedenken, dass viele Eigentümer von Wohngebäuden sich offenbar ganz bewusst gegen eine Versicherung entscheiden würden. Das ergebe die repräsentative Befragung zum Thema Versicherung gegen Elementarschäden, die man für die Analyse in Auftrag gegeben habe. Demnach würde eine knappe Mehrheit der Wahlberechtigten eine Versicherungspflicht akzeptieren. Die Befragung zeige aber auch, dass es sehr unterschiedliche Meinungen zur Tarifgestaltung gebe. Der Sachverständigenrat berücksichtigt dies, indem er nur eine verpflichtende Basisversicherung vorschlägt, die individuell ausbaufähig sein soll.
Juristischen Bedenken gegen die Einführung einer Pflichtversicherung begegnet das Gremium mit einem Gutachten des Staatsrechtslehrers Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg. Demnach verstößt das Reformmodell des Sachverständigenrates weder gegen Verfassungsrecht noch gegen Europarecht. Zwar werde mit einer Pflichtversicherung in Grundrechte eingegriffen. Diese Eingriffe seien aber gerechtfertigt, da es vielen Eigentümern nach wie vor an Risikobewusstsein fehle und ein öffentliches Interesse daran bestehe, die Staatskasse zu schonen.