Pflege im Alter : Was schulde ich meinen Eltern?
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Die Pflege der Eltern ist auch eine Frage der Moral. Bild: dpa
Die Aufregung war groß: Jens Spahn möchte seine Eltern nicht pflegen, wenn sie alt sind. Doch ist das so verwerflich? In jedem Fall ist es eine sehr persönliche Frage.
Gesundheitsminister Jens Spahn sorgte in der vergangenen Woche für einen kleinen Eklat. Er könne sich nicht vorstellen, seine Eltern im Alter zu pflegen, sagte er in einer Talkshow. Die Beschwichtigung folgte sogleich: Die Eltern verlangten das auch gar nicht von ihm. Dabei müsste doch gerade der Gesundheitsminister wissen, dass das Pflegesystem zusammenbrechen würde, dächten alle wie er. Dieses funktioniert nur, weil drei Viertel der Pflegebedürftigen derzeit zu Hause versorgt werden. Bei Pflegegrad 2 gibt der Staat monatlich 770 Euro, wenn die Pflegebedürftigen in Heimen gepflegt werden. Die Pflege zu Hause kommt die Versichertengemeinschaft mit 316 Euro im Monat deutlich billiger.
Aber was wird den Eltern eigentlich gerecht? Mag sein, dass Spahns Eltern nicht von ihm gepflegt werden wollen, doch viele der über 3,3 Millionen Pflegebedürftigen wehren sich auch im hohen Alter noch mit Händen und Füßen gegen das Pflegeheim. Mit gutem Grund, schaut man sich die Verhältnisse in manchen Pflegeheimen einmal an. Die Pfleger mögen ihr Bestes geben, doch regelmäßig machen Berichte die Runde von schlechter Betreuung in notorisch unterbesetzten Heimen.
Hinzu kommt, dass viele Senioren seit Jahrzehnten in ihrem sozialen Umfeld wohnen, in derselben Stadt, derselben Straße, derselben Wohnung. Freiwillig dort weg möchte kaum jemand. Umfragen machen das deutlich: Neun von zehn der über 50-Jährigen möchten später zu Hause gepflegt werden. Kann man das den Kindern zumuten? Immerhin leben viele von ihnen nicht in unmittelbarer Nähe, sind finanziell nicht in der Lage, beruflich kürzer zutreten, um die Pflege zu übernehmen, oder die Familienverhältnisse sind zerrüttet.
Moralische Verantwortung
Was schulden wir unseren Eltern? Für die Rente regelt das in Deutschland der Generationenvertrag. Die arbeitende Bevölkerung zahlt für die Versorgung der Rentner. Dafür bekamen sie als Kind die Möglichkeit, zu reifen und später Arbeit zu finden. Bei der Pflege sieht das anders aus: In Deutschland gibt es keine Pflicht zur Pflege der Eltern. Allerdings müssen die Kinder finanziell aufkommen, sollten die Pflegebedürftigen dazu selbst nicht in der Lage sein.
Neben der finanziellen Komponente gibt es aber auch die emotionale. Meine Eltern jedenfalls sollen nicht in einem Heim ihren Lebensabend verbringen, in dem sie nur Gast sind in einem Zimmer von vielen, wo meist die Zeit fehlt für etwas mehr als das Essen und den Wechsel der Bettwäsche. Meine Eltern haben mich als Kleinkind gefüttert, mir in der Schule geholfen, meine pubertären Trotzphasen ertragen und mich dann auch noch im Studium unterstützt. Deshalb ist es meine Pflicht, mich um ihr Wohlbefinden im Alter zu sorgen. Die moralische Verantwortung, den Eltern die bestmögliche Pflege zu bieten, sollte niemand leichtfertig abgeben.
Natürlich darf nicht verurteilt werden, wer das Heim für seine Eltern in Betracht zieht. Gleich von einem „Abschieben“ zu sprechen ist falsch. Für die Pflege im Heim gibt es gute Gründe: die ausgebildeten Pflegekräfte, die zeitliche und finanzielle Unterstützung durch die Pflegeversicherung und die Hoffnung, die Lieben in guten Händen zu wissen. Doch einfach das Argument der professionellen Hilfe vorzuschieben, die man den Eltern selbst nicht bieten könne, ist zu einfach. Das geben die Zustände in vielen Heimen nicht her.
Dann doch lieber für die Pflege zu Hause sorgen. Niemand, der das nicht schafft, muss seine Eltern selber waschen. Hilfe gibt es reichlich: 13.000 ambulante Pflegedienste in Deutschland unterstützen die Angehörigen bei der Heimpflege. So ermöglicht man den Bedürftigen nicht nur, sich „daheim“ zu fühlen, sondern garantiert zugleich für eine professionelle Hilfe. Und kann sich sicher sein, dass der Pfleger, der dann nach Hause kommt, sich in dieser Zeit auch nur um den Vater oder die Mutter kümmert und nicht drei andere Senioren gleichzeitig um Hilfe rufen.