Neue Prognose : Personalaufbau beim Staat stützt Arbeitsmarkt
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Die Vorausschau der Arbeitsagentur zeigt: Trotz Rezession steigt die Arbeitslosigkeit kaum – auch weil die öffentliche Hand viele neue Arbeitsplätze schafft. Eine Einmalzahlung an Studenten wird später kommen als geplant.
Trotz zunehmend düsterer Wirtschaftsaussichten für die kommenden Monate erwartet das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit derzeit keine großen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt. Das ergibt sich aus dessen neuer Prognose zur Entwicklung von Arbeitslosigkeit und Beschäftigung bis Ende 2023. Trotzdem gibt es auch schlechte Nachrichten für junge Leute: Studenten müssen länger auf eine Einmalzahlung von 200 Euro warten, mit denen sie in der schwierigen wirtschaftlichen Lage entlastet werden sollen.
„Der Arbeitsmarkt wird durch die wirtschaftlichen Rückschläge beeinträchtigt, wir erwarten jedoch in Anbetracht des hohen Arbeitskräftebedarfs keinen Einbruch“, fasste Enzo Weber, Bereichsleiter am Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die am Freitag veröffentlichten Ergebnisse seiner Prognose zusammen. Die Zahl der Erwerbstätigen werde im kommenden Jahr weiter steigen, wenn auch langsamer als bisher: Ausgehend von knapp 45 Millionen Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt 2021, rechnet das Institut mit einem Anstieg um 561.000 Erwerbstätige in diesem und um weitere 216.000 im kommenden Jahr.
Die Zahl der Arbeitslosen werde 2023 indes, nach einem Rückgang auf 2,42 Millionen in diesem Jahr, leicht auf 2,47 Millionen steigen – allerdings „auch aufgrund der Registrierung ukrainischer Geflüchteter in der Grundsicherung“. Seit Juni erhalten Hilfebedürftige aus der Ukraine keine Asylbewerberleistungen mehr, sie werden direkt über das Hartz-IV-System unterstützt, das von Januar an als „Bürgergeld“ fortgeführt werden soll.
Staatliche Nachfrage stützt den Arbeitsmarkt
Hinter dem erwarteten Zuwachs an Erwerbstätigen steht allerdings nicht in erster Linie die Arbeitskräftenachfrage privater Unternehmen, sondern der Staat: Allein im Bereich „öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit“ rechnet das Institut mit einem Zuwachs von 210.000 sozialversicherungspflichtigen Stellen in diesem Jahr und von weiteren 150.000 im Jahr 2023. „Dies liegt hauptsächlich am Ausbau der Kindertagesbetreuung und an der Alterung der Gesellschaft und wird durch den Betreuungsbedarf für Geflüchtete aus der Ukraine verstärkt“, so Weber. Für das produzierende Gewerbe erwarte er „weitestgehend Stagnation“.
Die Ampelkoalition bereitet indes nun wieder eine Lockerung von Kurzarbeitsregeln vor, um Beschäftigte mittels staatlicher Lohnkostenzuschüsse vor Arbeitsplatzverlust zu schützen. Der Bundestag beriet am Freitag in erster Lesung einen Gesetzentwurf dazu. Er beinhaltet etwa eine Sozialabgabenerstattung für Betriebe, eine von 12 auf 24 Monate verlängerte Höchstdauer von Kurzarbeit und eine Option, Kurzarbeit auch in Zeitarbeitsfirmen zu nutzen. Die Regelungen treten vorerst noch nicht in Kraft. Das Gesetz soll Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und die Regierung aber ermächtigen, sie im Krisenfall durch einfache Rechtsverordnungen zügig in Kraft zu setzen.
Entlastung für Arbeitnehmer erhofft sich die Regierung zusätzlich durch eine Sonderregelung, die Einmalzahlungen bis höchstens 3000 Euro steuer- und abgabenfrei stellt: Dies soll Betriebe ermutigen, neben dem regulären Lohn solche Sonderzuschläge als Inflationspuffer zu zahlen. Wie der „Spiegel“ am Freitag unter Berufung auf das Finanzministerium berichtete, soll die Option bis Ende 2024 zur Verfügung stehen. Es folgt damit Forderungen aus den Reihen der Tarifparteien: Sie erhalten so unter anderem eine Möglichkeit, diese Einmalzahlungen im Zuge von Branchentarifrunden über mehrere Stufen zu strecken, was Kompromisse erleichtern kann.
Studenten müssen länger auf Einmalzahlung warten
Allerdings wird die Einmalzahlung von 200 Euro, die Studierende im Zuge des Entlastungspaketes bekommen sollen, vermutlich erst Anfang Januar ausgezahlt. Das geht aus einem internen Papier aus dem Koalitionsausschuss hervor, das der Nachrichtenagentur AFP am Freitag vorlag. Die genauen Modalitäten der Auszahlung hingen vom Ergebnis der bevorstehenden Bund-Länder-Beratungen ab, heißt es ergänzend in einer Antwort des Bundesbildungsministeriums auf eine Parlamentarische Anfrage der CSU-Abgeordneten Katrin Staffler.
Zunächst hatte der „Spiegel“ über die Verzögerung berichtet. „Die Bundesregierung lässt Studierende in der aktuellen Krise bisher völlig im Regen stehen“, erklärte Staffler. Erst habe sie die Studierenden bei der Energiepreispauschale vergessen. "Jetzt droht die Auszahlung des 200 Euro-Zuschusses an der Planlosigkeit von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger zu scheitern."
Diese könne "nach wie vor nicht sagen kann, wie die Einmalzahlung auf den Konten der Studierenden ankommen soll", kritisierte Staffler. Die Studierendem müssten den 200-Euro-Zuschuss spätestens bis 14. Oktober auf dem Konto haben, forderte sie. Die Linke kritisierte die Verzögerungen. „Niemand braucht sich wundern, wenn wir diesen Winter eine Welle von Studienabbrechern haben, weil diese sich ihre Wohnung nicht mehr leisten können“, erklärte die Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke. „Die Bundesregierung schickt Studierende mutwillig in die Arbeitslosigkeit, wenn sie jetzt nicht schnell und unkompliziert hilft.“
Auch der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) forderte eine rasche und unbürokratische Überweisung der Hilfen. Die Bundesregierung sei gefordert, Studenten in derartigen Notlagen gezielt zu unterstützen, erklärte die Bundesvorsitzende Franca Bauernfeind. „Schon die Frage der Auszahlung zeigt die Konzeptlosigkeit der Bundesregierung.“ Aus der „schnellen und unbürokratischen Auszahlung“, die die Bundesregierung versprochen habe, werde nichts fügte RCDS-Vize Jonas Neuhoff hinzu. „Die Preissteigerungen werden sich auf absehbare Zeit fortsetzen. Daher ist es zwingend erforderlich, über die zugesagt Einmalzahlung hinaus zu denken.“