Wo der Wohlstandsvorsprung schwindet
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Fehler gemacht: Victor Orban hat Ungarn nicht in die richtige Richtung gebracht. Bild: AFP
Unter Viktor Orban hat Ungarn mit einer großen Schuldenlast und Korruption zu kämpfen. Die Entwicklung der letzten Jahre zeigt: Ungarn hat seine Vorreiterrolle in der Region verloren.
Rita Bolla redet gerne von der Vergangenheit. Das tun auch andere. Doch sie gehört zu den wenigen Ungarn, die sich zitieren lassen mit ihrer Meinung. Mit ihrem Vater betreibt sie ein Unternehmen für Reinigungsdienste in Budapest. Die besten Zeiten haben sie hinter sich, wie die etwa 50 Jahre alte Kauffrau erzählt. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor gut drei Jahrzehnten florierte das Geschäft, die Firma beschäftigte damals fast zwei Dutzend Mitarbeiter. Jetzt sind es noch drei. Die Mutter einer Tochter ist geschieden und hat 2008 einen Kredit in Schweizer Franken für den Erwerb einer Wohnung bei einer internationalen Bank aufgenommen. Die Wohnung kostete neun Millionen Forint. Damals betrug ihre monatliche Rückzahlung 45.000 Forint. Mittlerweile sind es 80.000 Forint. Zwischenzeitlich waren es sogar 120.000 Forint.
Schuldenlast und Gesundheitsmisere
Wenn Bolla fertig ist mit der Tilgung, wird sie 78 Jahre alt sein und die Summe deutlich höher ausfallen, als der Kredit ursprünglich betrug. Für sie ist die Zeit ihrer Verschuldung eng mit der politischen Ära der nationalkonservativen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban verbunden. Zahlreiche Ungarn haben sich damals wegen der vergleichsweise niedrigen Kapitalkosten in Schweizer Währung verschuldet. Für viele ihrer Landsleute gab es eine Möglichkeit, die Verbindlichkeiten loszuwerden. Aber nicht für alle. Bolla hatte nicht genug Geld, um auszusteigen aus ihrer Misere. Sie findet: „Orban hätte eine andere Lösung finden können.“ Es sind nicht nur die Schulden, die sie belasten. Bolla weist auf das desolate Gesundheitswesen hin mit seinen langen Wartezeiten für Patienten. Viel medizinisches Personal und andere Fachkräfte haben das Land verlassen. Sie verdient 260 000 Forint brutto, netto bleiben ihr davon knapp 173.000. Für ihre Tochter bekommt die Alleinerziehende von ihrem Mann an Alimenten 90.000 Forint. Finanzielle Hilfe erhält sie auch von Freunden. Bolla, die sich als konservativ einstuft, hofft auf einen Regierungswechsel durch die geeinte Opposition unter Peter Marki-Zay.
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