
Kommentar : Offene Briefkästen
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Kleiner Kasten, großes Geld: Briefkästen von Offshore-Firmen Bild: Getty
Die Enthüllungen über Geschäfte mit Briefkastenfirmen in Panama erhöhen weltweit den Druck auf Steueroasen. Doch damit wächst auch die Gefahr, im Eifer zu viel zu tun. Gelassenheit tut Not, damit dem Steuer-Feldzug nicht am Ende die Freiheit zum Opfer fällt.
Für Steuerfahnder und Steuerpolitiker vieler Länder ist die Osterpause abrupt zu Ende. Sie müssen klären, was dran ist an den Enthüllungen über illegale oder zumindest fragwürdige Steuerpraktiken prominenter Persönlichkeiten, die ein internationales Recherchenetzwerk mit Hilfe eines noch anonymen Informanten aufgedeckt hat. In einer in der Dimension ungewöhnlichen, monatelangen Datenanalyse haben die Journalisten quasi hinter den Schlitz von mehr als 200.000 Briefkastenfirmen in Panama und anderen altbekannten Steueroasen geschaut, um Besitzer und Nutznießer ausfindig zu machen – darunter nicht nur Potentaten und Autokraten, sondern etwa auch den Ministerpräsidenten von Island.
Die Recherche ist eine Sache, die juristische und politische Bewertung eine andere. Die Nutzung von Briefkastenfirmen mag anrüchig sein, sie ist aber weder verboten noch prinzipiell illegitim. Auch wer sein Vermögen und seine Erträge mit „weißen“ Geschäften erworben und ordentlich versteuert hat, kann gute Gründe haben, sich dieser anonymisierten Gesellschaften zu bedienen, sei es zum Schutz der Privatsphäre, oder weil die Rechtssicherheit im Offshore-Zentrum höher und die Bürokratie geringer sind als zu Hause. Die Unschuldsvermutung gilt, so schwer sie bei manchen Namen fallen mag, bis zum Beweis des Gegenteils auch hier.
Selbst wenn das riesige Datenleck ein Licht darauf wirft, welche Möglichkeiten sich Steuerhinterziehern und Geldwäschern nach wie vor bieten, ist eine Empörungswelle fehl am Platz. Die Politik hat die vergangenen Jahre durchaus genutzt, um in mühsamen internationalen Verhandlungen Spielräume für Steuerflucht zu verengen und gesetzliche Hürden zu erhöhen – nicht zuletzt unter dem Druck der forschen Amerikaner, die freilich ihr Briefkastenparadies in Delaware schonen.
Im kommenden Jahr beginnen 70 Länder mit dem automatischen Austausch steuerrelevanter Daten – das Bankgeheimnis ist dann wohl Geschichte. Weitere Initiativen nehmen nun schon legale, aber als „unfair“ empfundene steuersparende Gewinnverlagerung von Konzernen in den Blick. Damit wächst die Gefahr, im Eifer zu viel zu tun und Unternehmen und Bürger so zu knebeln, dass die erhofften zusätzlichen Steuereinnahmen ausbleiben. Gelassenheit tut Not, damit dem Steuer-Feldzug nicht am Ende die Freiheit zum Opfer fällt.