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Vorschlag von Özdemir : Steuerbegünstigt zum Vegetarier?

Bunt, gesund – und begünstigt? Obst und Gemüse Bild: dpa

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. Das zuständige Finanzministerium gibt sich aber vorsichtig ablehnend.

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          Mangelnde Hartnäckigkeit kann man Cem Özdemir nicht vorwerfen. Alle paar Monate, teils im Abstand weniger Wochen wiederholt der Landwirtschaftsminister seine Forderung, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. Dieser Schritt würde nicht nur die Verbraucher finanziell entlasten, so die Botschaft des Grünen-Politikers, sondern auch den ge­wünschten Ernährungswandel weg vom Fleisch, hin zu einer stärker pflanzlichen Ernährung vorantreiben. Zuletzt nutzte Özdemir die Landwirtschaftsschau Grüne Woche, die noch bis zum 29. Januar in den Berliner Messehallen stattfindet, um seiner Forderung noch einmal Nachdruck zu verleihen.

          Julia Löhr
          Wirtschaftskorrespondentin in Berlin.
          Manfred Schäfers
          Wirtschaftskorrespondent in Berlin.

          Er ist nicht der Einzige, der gerne an der Mehrwertsteuerschraube drehen wür­de, im Gegenteil. Wann immer sich in Deutschland eine Krise anbahnt, kommt schnell der Ruf nach Erleichterungen bei der Mehrwertsteuer, die korrekt Umsatzsteuer heißt. Während der Corona-Pandemie wurden von Juli bis Dezember 2020 die Sätze gesenkt, der reguläre von 19 auf 16 Prozent, der ermäßigte von 7 auf 5 Prozent.

          Erleichterungen für pflanzliche Lebensmittel?

          Für Restaurants gilt der zu Coronazeiten gesenkte Satz von 7 Prozent bis heute. Im Sommer 2022 wiederum versuchte die Regierung, den Unmut über die geplante Gasumlage mit einer Mehrwertsteuersenkung auf Gas zu dämpfen. Die Umlage ist Geschichte, der ermäßigte Steuersatz vom 7 Prozent soll noch bis Frühjahr 2024 gelten.

          Warum also nicht auch Erleichterungen für pflanzliche Lebensmittel? Das Um­weltbundesamt unterstützt Özdemir ausdrücklich. Um 4 Milliarden Euro würden die Verbraucher entlastet, wenn die Steuer auf Obst, Gemüse, Getreide und pflanzliche Öle wegfiele, rechnete die Behörde vor. Grundlage für diese Schätzung sei die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, teilt das Umweltbundesamt auf Nachfrage mit. Ähnlich wie im Landwirtschaftsministerium ist man dort überzeugt, dass eine Steuerstreichung das Einkaufsverhalten verändern würde.

          „Schätzungen einer Studie zufolge könnte der Mehrkonsum von pflanzlichen Produkten infolge der vorgeschlagenen Abschaffung der Mehrwertwertsteuer für einkommensstärkere Haushalte 1,1 Prozent und für einkommensschwache Haushalte 1,3 Prozent betragen“, schreibt eine Sprecherin.

          Das Finanzministerium gibt sich vorsichtig ablehnend

          Özdemir kann eine Steuerbegünstigung fordern und damit politisch punkten, zuständig dafür ist ein anderer: Christian Lindner. Was sagt der Liberale dazu? Im von ihm geführten Finanzministerium heißt es vorsichtig ablehnend: „Bei der Mehrwertsteuer ist gegenwärtig keine weitere Veränderung geplant.“ Das System sei nicht geeignet, um einzelne gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen.

          Nachfrage bei seinem Wirtschaftsberater Lars Feld. Der Finanzwissenschaftler macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. „Von weiteren Ausnahmen vom Regelsatz oder gar dem ermäßigten Satz bei der Mehrwertsteuer halte ich nichts“, sagt er der F.A.Z. Dies würde zu weiteren Verzerrungen führen, schon allein wenn man an den Vorsteuerabzug denke, aber auch darüber hinaus.

          Um das zu verstehen, muss man wissen, wie die Mehrwertsteuer funktioniert. Bei der Umsatzsteuer schlägt der Fiskus jedes Mal zu, wenn eine Ware gehandelt wird. Damit werden Konzerne begünstigt, die alles unter ihrem Dach organisieren, von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum Verkauf an den Endverbraucher. Deswegen gab es in den Sechzigerjahren einen Wechsel: Nur der Mehrwert wird nun noch auf jeder Handelsstufe belastet. Unternehmer können sich die Steuerlast, die auf bezogenen Waren liegt, vom Finanzamt zurückholen, das ist die sogenannte Vorsteuer. Nur der Name des Gesetzes wurde damals nicht geändert.

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