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Ökostrom-Umlage : Die Rechnung

  • -Aktualisiert am

Wind und Sonne produzieren nur in weniger als einem Viertel der Jahresstunden Strom. Bild: dpa

24 Milliarden Euro für die Ökostromförderung, das sind rechnerisch 300 Euro für jeden Bürger. Die Stromkunden werden die EEG-Kosten noch über Jahre abzahlen müssen.

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          Ein Cent ist nicht viel. In Finnland wird gleich auf den nächsten Fünf-Cent-Betrag gerundet, in anderen Ländern geben Kassierer Kupfermünzen gar nicht heraus. Doch auch Kleingeld macht bekanntlich Mist. Selbst Ein-Cent-Beträge addieren sich zu Milliardensummen, wenn man nur genug von ihnen aneinanderreiht. Vielleicht wird der Cent in Deutschland auch deshalb noch geschätzt.

          Im nächsten Jahr steigt die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) um fast einen auf 6,24 Cent. Da sie je Kilowattstunde erhoben wird, müssen die Stromkunden gut drei Milliarden Euro mehr zahlen als noch in diesem Jahr. Zusammen macht das 24 Milliarden Euro, rechnerisch 300 Euro je Bürger. Bleibt es dabei, hätten sie binnen 15 Jahren 110 Milliarden Euro für die Förderung „grünen“ Stroms gezahlt. Das entspricht einem Drittel des Bundeshaushalts.

          Ob es aber dabei bleibt, ist nicht sicher. Denn die Prognose beruht auf Mutmaßungen. Niemand weiß, wie sich der Börsenpreis entwickelt, zu dem der Ökostrom verkauft wird. Offen ist, wie viele neue Anlagen ans Netz gehen. Wie viel Strom diese und die schon installierten aus Sonne und Wind erzeugen, hängt davon ab, wie das Wetter wird.

          Dieses Jahr beispielsweise liegt der Börsenpreis einen Cent unter dem im vergangenen Jahr prognostizierten. Deshalb ist bis September ein Minus von 2,2 Milliarden Euro aufgelaufen, das nächstes Jahr abbezahlt werden muss. Es wäre höher ausgefallen, wenn der Wind wie im Vorjahr geblasen und die Sonne geschienen hätte. Wer Prognosen und Ergebnisse über Jahre vergleicht, sieht, dass die echten Kosten meist unterschätzt wurden.

          Über die Börse gleichen sich die Großhandelspreise an

          Fest steht nur die für 20 Jahre garantierte Vergütung, welche die Betreiber von Wind-, Photovoltaik- und Biogasanlagen bekommen – unabhängig davon, ob der Strom gebraucht wird oder überflüssig ist und nur gegen ein Aufgeld ins Ausland verschenkt werden kann. Das ist ökonomischer Wahnsinn, aber mit Methode.

          Manche versuchen nun, das Problem kleinzureden. Neue Anlagen zur Erzeugung von grünem Strom trügen nur noch weniger als die Hälfte zur Erhöhung der Umlage bei. Wichtiger sei der Preisverfall an der Börse. Denn je stärker dort die Preise sinken, desto höher steigt die Umlage wegen der Preisgarantie für die Erzeuger. Unterschlagen wird dabei, dass die Börsenpreise gerade deshalb so stark fallen, weil so viel Ökostrom eingespeist wird. Zusätzliche Anlagen erhöhen das Angebot, das führt zu weiteren Preisabschlägen und höherer Umlage.

          Als Preistreiber gilt vielen die Industrie. Die ist teils von der Umlage befreit, weshalb die übrigen kleinen und großen Verbraucher mehrere Milliarden Euro Umlage zusätzlich zahlen müssen. Schon wittert die EU verbotene Subventionen. Doch gibt es gute Gründe für die Ausnahmen. Denn die Umlage wirkt wie eine Steuer für Produzenten, die im Nachteil sind, wenn sie im Wettbewerb mit ausländischen Standorten stehen, die diese Belastungen nicht spüren. In den Fällen ist der Verzicht auf die Umlage sinnvoll. Ob das auch für Großschlachtereien, Straßenbahnbetreiber oder die Deutsche Bahn gilt, ist diskussionswürdig. Doch wer deren Kosten erhöht, sollte sich nicht wundern, wenn diese Unternehmen ihre Preise erhöhen.

          Auch das Argument, Großabnehmer profitierten von den niedrigen Strompreisen an der Börse und könnten eine zusätzliche Belastung gut vertragen, steht auf wackeligen Beinen. Über die Börse gleichen sich die Großhandelspreise in Zentraleuropa an. Den Vorteil haben nicht nur hiesige Großkunden. Würden sie zusätzlich belastet, hätten nur sie den Nachteil.

          Der Kunde soll zweimal zahlen

          Das zeigt: Mit ein paar Begradigungen am EEG-Fördersystem ist es nicht getan. Hinzu kommt, dass die Ökostromförderung zunehmend die Sicherheit der Versorgung gefährdet. Sind die Preise an der Börse niedrig, verdienen Stadtwerke und Energiekonzerne mit ihren Kraftwerken kein Geld mehr. Sie werden sie abschalten und keine neuen bauen. Gas- und Kohlekraftwerke, auch die mit heimischer Braunkohle befeuerten, sind jedoch für eine sichere Versorgung unerlässlich, denn Wind und Sonne produzieren in weniger als einem Viertel der 8.760 Jahresstunden Strom.

          Eine Konsequenz aus der zerstörerischen Wirkung des EEG-Systems wird ernsthaft diskutiert: Eine neue Prämie für Kraftwerksbetreiber soll sicherstellen, dass die ihre Kraftwerke betriebsfertig halten, wenn niemand ihren Strom braucht. Hier gibt es eine Analogie zur Ökostromförderung. Da bekommen Erzeuger Geld, wenn die Anlage läuft, sie ihren Strom aber nicht ins Netz einspeisen kann. Der Kunde soll also zweimal zahlen: für die Versicherung gegen einen Notfall, den der Ökostromausbau erst herbeiführt.

          Ehe neue Zusatzkosten beschlossen werden, muss die Umlage für Neuanlagen radikal gekürzt werden. Sie muss absehbar eingestellt, neue Subventionsgräber wie bei der Windstromerzeugung auf See müssen vermieden werden. Das Siechtum der Solarindustrie zeigt, wie wenig nachhaltig Industrien sind, die auf Staatshilfe gründen.

          Nicht einmal die Hälfte der EEG-Rechnung wurde bisher präsentiert. Die Stromkunden werden die Kosten noch über Jahre abzahlen müssen. Es ist höchste Zeit zu handeln.

          Andreas Mihm
          Wirtschaftskorrespondent für Österreich, Ostmittel-, Südosteuropa und die Türkei mit Sitz in Wien.

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