Ökonomen rechnen vor : Die „Rente mit 63“ ist viel teurer als gedacht
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Rentner am Wasser Bild: dpa
Die von der schwarz-roten Koalition beschlossene „Rente mit 63“ kostet mehr Milliarden als veranschlagt. Und das ist noch nicht alles.
Die „Rente mit 63“ wird teuer als gedacht. Nach Berechnung des Münchner Ifo-Instituts sind durch diese Art der Frührente, eingeführt vor fünf Jahren von der schwarz-roten Koalition, von 2014 bis 2016 direkte Mehrausgaben von 6,5 Milliarden Euro entstanden. Die Bundesregierung hatte in ihrem Gesetzentwurf nur 5 Milliarden Euro erwartet.
„Werden Ausfälle an Steuern und Sozialbeiträgen hinzugerechnet, liegen die Gesamtkosten in dem Zeitraum sogar bei 12,5 Milliarden Euro“, berichteten die Ifo-Forscher Carla Krolage und Mathias Dolls an diesem Dienstag. „In den kommenden Jahren ist mit weiter steigenden Kosten zu rechnen, wenn noch größere Geburtsjahrgänge die abschlagsfreie vorzeitige Rente in Anspruch nehmen können.“
Altersgrenze liegt jetzt höher
Die Rente mit 63 erlaubt es Versicherten, nach 45 Beitragsjahren eine „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ ohne Rentenabschläge und damit ohne finanzielle Einbußen in Anspruch zu nehmen. Zu den 45 Jahren zählen auch Kindererziehungszeiten und bestimmte Zeiten der Arbeitslosigkeit. Erreichen sie die 45 Beitragsjahre nicht, müssen Versicherte derzeit bei einem Renteneintritt mit 63 Jahren je nach Geburtsjahrgang Abschläge von 7,2 bis 9,9 Prozent in Kauf nehmen.
Allerdings ist die „Rente mit 63“ eine „Rente ab 63“: Parallel zur Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalter auf 67 Jahre stieg auch die Altersgrenze für die abschlagsfreie Frührente. In diesem Jahr können Versicherte des Geburtsjahrgangs 1956 eine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren und 8 Monaten beantragen.
Männer gehen früher
Nach dem Bericht des Ifo-Instituts gehen Menschen, für die eine „Rente ab 63“ in Frage kommt, im Durchschnitt 5,4 Monate früher in Rente als Personen, die bei einem vorzeitigen Ruhestand Abschläge in Kauf nehmen müssten. „Insbesondere erwerbstätige Männer reagieren stark auf die Reform. Sie gehen durchschnittlich neun Monate früher in Rente, Frauen im Schnitt vier Monate“, teilte das Ifo mit.
Die Frührentner bekämen im Schnitt deutlich höhere Renten als Menschen, die nur mit Abschlägen in Frührente gehen könnten. Die Ifo-Forscher warnen: „Die Rente mit 63 schwächt die Nachhaltigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie stellt eine mit hohen Kosten verbundene Umverteilungsmaßnahme von Beitragszahlern und Beziehern kleinerer Renten zu Rentnern mit vergleichsweise hohem Einkommen da.“
Mehr als eine Million Anträge in fünf Jahren
Die hohe Nachfrage nach der abschlagsfreien Rente ab 63 war auch im vergangenen Jahr ungebrochen: 2018 wurden 251.000 Anträge gestellt, fast so viele wie 2017. In Anbetracht von insgesamt 1,64 Millionen neuen Rentenanträgen entfiel also damit in etwa jeder siebte auf die Rente ab 63.
Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Bund stellten seit Inkrafttreten der Neuregelung im Juli 2014 fast 1,2 Millionen Arbeitnehmer einen Antrag. An sie zahlt die Rentenversicherung für die Frührente jeden Monat rund 1,6 Milliarden Euro. Auch die Rentenversicherung begründet die hohen Kosten mit dem Umstand, dass die Frührentner wegen ihrer langen Versicherungszeiten besonders hohe Renten erhielten.
Männer im Westen bekamen 2017 im Schnitt 1457 Euro, Männer im Osten 1166 Euro. Bei Frauen lag die „Rente für besonders langjährig Versicherte“ im Westen bei 1058 Euro, im Osten bei 1076 Euro.