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Notare in der Corona-Krise : „Müssen weiter vor Ort für Mandanten aktiv sein“

Notare müssen in der Corona-Krise weiter für Beurkundungen präsent sein. Bild: Wolfgang Eilmes

Bestimmte Rechtsgeschäfte erlauben keinen Aufschub: Betriebe und Grundstücke werden trotz der Pandemie weiter verkauft, neue Geschäftsführer werden bestellt. Dafür braucht es die Notare - denn eine Beurkundung aus der Ferne ist nicht zulässig.

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          Im Opernturm ist es diesen Tagen sehr ruhig. Vor der Coronavirus-Pandemie gingen in dem markanten Hochhaus im Frankfurter Westend die Mitarbeiter von Banken, Beratungsgesellschaften und Wirtschaftskanzleien ein und aus. Derzeit ist Anne Vins-Niethammer, Partnerin der Sozietät Oppenhoff, eine der wenigen Personen, die noch regelmäßig in dem Büroturm arbeitet.

          Marcus Jung
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Als Notarin muss sie weiter Präsenz zeigen. In ganz Deutschland versuchen die nach Angaben der Bundesnotarkammer 1500 hauptberuflichen Notare und die 5600 Anwaltsnotare den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten, so gut dies unter den widrigen Umständen geht. Denn auch in der Corona-Krise müssen Unternehmenskäufe, Immobiliengeschäfte oder Gesellschafterwechsel weiter notariell beurkundet werden.

          Der Präsident der Bundesnotarkammer, Jens Bormann, erklärte schon vor Wochen, dass Notare für Unternehmen im Gesellschaftsrecht „jederzeit erreichbar“ sein sollen. In der Zwischenzeit haben die Bundesnotarkammer und die Kammern in den Bundesländern Merkblätter dazu veröffentlicht, wie Notare ihre Dienstleistungen angesichts des erhöhtes Infektionsrisikos organisieren sollen. Nicht dringende Termine sollen verschoben werden, Beratungen sollten am Telefon oder per E-Mail erfolgen. Testamente könnten auch durch die Übergabe an den Notar übergeben werden. Es handelt sich dabei ausdrücklich nicht um berufsständische Weisungen, lediglich um Empfehlungen.

          Erst an diesem Freitag ist nach einem Bericht der “Rheinischen Post“ eine neue Verordnung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen bekannt geworden, wonach auch die Notare als “systemrelevant“ gelten. Damit haben sie in dem bevölkerungsreichsten Bundesland Anspruch auf eine Notbetreuung für ihre Kinder, um ihrer Arbeit nachgehen zu können.

          Präsenz für Menschen zeigen

          In Hessen versucht die Juristin Vins-Niethammer diesen Spagat im Alltag hinzubekommen. Zwar ermöglicht es die Kanzlei auch ihr, im Homeoffice zu arbeiten. Für sie aber direkt klar gewesen – „das Notariat muss weiter vor Ort für Mandanten aktiv sein.“ Neben ihr gebe es in Frankfurt nur noch eine Reihe von Notariatsmitarbeitern, die jeden Tag ins Büro kommen würden. Dies sei auch zur Kontrolle des elektronischen Zugangs zu den Registern notwendig, über den die Einreichungen zum Handelsregister erledigt würden. „Das kann nur vor Ort in der Geschäftsstelle passieren“.

          Die sogenannte Registerbox, von der Vins-Niethammer spricht, stellt sicher, dass die Änderungen in Unternehmen – am häufigsten sind es die Wechsel von Geschäftsführern und Prokuristen – und damit die Daten aus dem Notariat über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sicher bei den Justizbehörden ankommen. Eine Installation auf einem Computer zuhause, oder das Anwählen über einen VPN-Tunnel, sind nicht möglich. Das bedeutet für die Notare, die sich wie die Anwälte derzeit in der Diskussion mit den Ländern über die Anerkennung als systemrelevanter Beruf befinden, eine Präsenzpflicht in der Kanzlei. Größere Notariate, so ist aus der Branche zu hören, haben sich in Teams aufgestellt, die im Tages- und Wochenwechsel in ihrer Kanzlei arbeiten. So soll im Fall einer Infektion eines Mitarbeiters verhindert werden, dass gleich der gesamte Geschäftsbetrieb lahmgelegt wird.


          Für Vins-Niethammer ist es ein „Privileg“, weil sie als eine der wenigen Berufsträger überhaupt noch im Büro arbeitet und nicht nur im Homeoffice. Die jetzige Situation sei für Anwälte eine große Chance, sich der Digitalisierung ihres Berufsstands weiter zu öffnen. Das gelte auch gewissermaßen für Notare, meint sie. „Die Grenze ist durch das Berufsrecht vorgegeben, insbesondere, weil wir Beratungs- und Belehrungspflichten haben. Deswegen müssen wir grundsätzlich auf das persönliche Erscheinen der Beteiligten hinwirken oder auf die Vertretung durch eine bevollmächtigte Vertrauensperson oder Berater.“

          Lockerung von Formvorschriften

          Wo dies derzeit unmöglich sei, könnten sich die Beteiligten in den meisten Rechtsgeschäften auch durch sogenannte vollmachtlose Vertreter vertreten lassen. Eine Genehmigung kann später noch nachgeholt werden. Die Notarin berichtet, dass sich viele der so vertretenen Unternehmer und Geschäftsführer derzeit beim Beurkundungsprozess per Telefon- oder Videokonferenz teilnehmen würden.
          In der aktuellen Sondersituation lockern sich also einige formelle Vorschriften. Ein Prinzip bleibt aber unangetastet. Eine Fernbeglaubigung von Unterschriften oder Beurkundung über das Telefon ist weiterhin nicht zulässig. Alles andere verbietet das Beurkundungsgesetz. „Damit ich seine Unterschrift beglaubigen kann, muss er seine Unterschrift persönlich vor mir leisten und sich vor mir ausweisen“, sagt Vins-Niethammer.

          Testamente und Vorsorgevollmachten können ohnehin nur höchstpersönlich erstellt werden. Eine Vertretung durch eine andere Person ist ausgeschlossen. Doch gerade in diesen Wochen ist die Unsicherheit der Menschen groß. Offenbar wollen viele jetzt Fragen für die eigene Zukunft und die ihrer Nachkommen klären. Vins-Niethammer, deren Schwerpunkt eigentlich die notarielle Begleitung von Unternehmens- und Immobilienkäufen ist, wurde in den vergangenen Wochen mehrfach wegen Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen angesprochen. Was Testamente betreffe, könnte jeder diese grundsätzlich privatschriftlich aufsetzen. „Zumindest bei den Formalia sollten sich Erblasser aber auch hier fachkundigen Rat holen“, meint die Notarin.

          Es sei allen Kollegen bewusst, dass sie selbst in Zeiten des erhöhten Infektionsrisikos für bestimmten Rechtsgeschäften zwingend anwesend sein müssen, um dem gesetzlichen Auftrag der Gewährleistung notarieller Dienstleistungen gerecht zu werden. Dennoch versuche man, es den Menschen so einfach wie möglich zu machen. Für diesen Servicegedanken greift mancher ihrer Berufskollegen auf kreative Ideen zurück. So berichtet Vins-Niethammer von Notaren, die aktuell Beglaubigungen im Parkhaus durch das geöffnete Autofenster ermöglichen. Auch wenn sie diese Idee des unkomplizierten „One-Stop“ für amüsant hält, erkennt sie darin keinen Mehrwert. „Der Sicherheitsabstand wird dabei nicht besser beziehungsweise sogar schlechter gewahrt als in einem großen Konferenzraum.“

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