Energiewende : Norwegen will Deutschland mit Wasserstoff versorgen
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Schwimmende Windkraftanlage vor der norwegischen Küste Bild: AFP
Wasserstoff gilt als Grundstoff für eine kohlendioxidfreie Wirtschaft. Nun wollen Deutschland und Norwegen bei der Zukunftstechnik kooperieren. Bis es so weit ist, geht es aber zunächst noch um Erdgas.
Norwegen will künftig Wasserstoff nach Deutschland liefern, um zunächst die deutsche Erdgasversorgung zu ergänzen und später zu ersetzen. Dazu hat der größte Energielieferant Deutschlands mit der Bundesrepublik sowie den Energieversorgern RWE und Equinor am Donnerstag eine Vereinbarung geschlossen, wie auf der Oslo-Reise von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bekannt gegeben wurde.
Die Vorstandsvorsitzenden Markus Krebber (RWE) und Anders Opedal, die Habeck begleiteten, unterzeichneten eine strategische Energiepartnerschaft, die den Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur bis zum Jahr 2030 vorsieht. Es sollen eine Wasserstoffpipeline nach Deutschland und entsprechende Anlagen zum Weitertransport im Zielland entstehen.
„Die Zusammenarbeit hat das Potential, Norwegen zu einem wichtigen Lieferanten von Wasserstoff für Deutschland und Europa zu machen“, sagte Equinor-Chef Opedal. „Dies ist eine einmalige Gelegenheit, eine Wasserstoffindustrie in Norwegen aufzubauen, in der Wasserstoff auch als Rohstoff für die heimische Industrie verwendet werden kann.“
Krebber ergänzte, um von fossilen auf klimaschonende Brennstoffe umzustellen, sei der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft dringend erforderlich. Zunächst gehe es um die Gewinnung aus Erdgas, wobei das Kohlendioxid abgeschieden und gespeichert werde („blauer Wasserstoff“), anschließend um „grünen Wasserstoff“, der mit erneuerbaren Energien über die Elektrolyse erzeugt wird.
„Blauer Wasserstoff in großen Mengen kann den Anfang machen und anschließend immer grüner werden“, so der RWE-Chef. Es gehe darum, die Industrie mit signifikanten Mengen zu versorgen, aber auch die Elektrizitätsgewinnung profitiere: „Unsere geplanten Investitionen in wasserstofftaugliche Gaskraftwerke werden die Versorgungssicherheit in einem dekarbonisierten Stromsektor stärken.“
Strom aus Wasserstoff
Die norwegische Equinor, die früher Statoil hieß, plant den Aufbau einer Wasserstoffkapazität von 2 Gigawatt an blauem Wasserstoff bis zum Jahr 2030. Bis zum Jahr 2038 sind 10 Gigawatt geplant. Das „blaue“ Gas soll in eine neue, verschiedene Länder bedienende Pipeline eingespeist werden, deren Bau Equinor derzeit mit dem Unternehmen Gassco und anderen prüft. RWE würde ihn abnehmen und in wasserstofffähigen Gaskraftwerken zur Stromproduktion nutzen.
Equinor und RWE wollen aber auch bei der Erzeugung zusammenarbeiten, und zwar von grünem, also kohlendioxidfreiem, Wasserstoff. Dazu prüft man in Norwegen, Deutschland und anderen Ländern, die an der neuen Rohrleitung liegen, die Möglichkeit zur Wasserstoffherstellung mithilfe von Offshore-Windkraftanlagen auf dem Meer.
„Offshore-Windkraft ist die mit Abstand effektivste Form der erneuerbaren Stromerzeugung“, teilten die Unternehmen in einer gemeinsamen Presseerklärung mit. „In Kombination mit Elektrolyseuren wird die Windkraft auf See eine wichtige Rolle beim Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft einnehmen.“
Beide Unternehmen arbeiten schon am sogenannten Aqua-Sector, einem Projekt in der Nordsee, das auf die Errichtung eines Offshore-Windparks mit einer Leistung von 300 Megawatt abzielt. Der dortige Windpark soll mit Elektrolyseuren verbunden werden und so direkt auf dem Meer grünen Wasserstoff produzieren.
Ausgleich für schwankende Erneuerbare
Gemeinsam wollen RWE und Equinor zudem in flexible, wasserstofftaugliche Gaskraftwerke in Deutschland investieren. Die Anlagen mit einer Kapazität von rund 3 Gigawatt sollen bis zum Jahr 2030 stehen. Die wasserstofffähigen Gaskraftwerke sollen die schwankende Einspeisung von erneuerbaren Energien ausgleichen und dazu beitragen, die Stromnachfrage auszubalancieren. Bisher übernehmen Kohle-, Gas- und Kernkraftwerke diese Funktion.
Habecks Ministerium sieht vor, dass die neuen Anlagen zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme zu 50 Prozent mit Wasserstoff betrieben werden können. Beide Unternehmen streben 100 Prozent Wasserstoff bis Mitte der Dreißigerjahre an.
Blauer Wasserstoff war lange umstritten, gerade im Lager der Grünen und Umweltschützer, doch geht die Bundesregierung jetzt doch den Weg zur Abscheide- und Verpressungstechnik (CCS), da grüner Wasserstoff noch zu teuer und zu rar ist und dafür nicht ausreichend Ökostrom zur Verfügung steht. Habecks Norwegen-Reise soll auch hier Türen öffnen, da Norwegen schon viel Erfahrung mit CCS hat.
Für die neuen Kraftwerke wird zunächst noch herkömmliches Erdgas benötigt. Wie es hieß, wird Equinor dieses zur Deckung des Eigenbedarfs der gemeinsamen Kraftwerke liefern. Um die vollständige Umstellung auf Wasserstoff zu ermöglichen, wird das Erdgas dann durch blauen Wasserstoff ersetzt. Nach dem Anschluss der Offshore-Wasserstoffproduktionsanlagen an die geplante Pipeline wird anschließend nach und nach grüner Wasserstoff das blaue Pendant bei den Importen nach Deutschland ergänzen und schließlich ersetzen. Darüber hinaus prüften RWE und Equinor gemeinsame Investitionen in reine Offshore-Windprojekte in Norwegen und Deutschland, hieß es. Gleiches gelte für die Produktion von grünem Wasserstoff an Land in Norwegen.