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Nordkoreas Wirtschaft : Kim hat Nordkorea zum Armenhaus gemacht

Jubel für den „geliebten Führer“

Jubel für den „geliebten Führer“ Bild: Reuters

In der Weltwirtschaft spielt Nordkorea kaum eine Rolle. Dennoch fielen die Kurse an den Börsen Asiens nach Kims Tod deutlich. Er lebte im Luxus, sein Volk musste hungern.

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          Zwischen Theorie und Wirklichkeit ist für Kim Jong-il die Kluft stets groß geblieben. Der Ende vergangener Woche im Alter von 69 Jahren verstorbene Diktator hat immer davon geträumt, Nordkorea zu einer starken Wirtschaftsnation zu machen, die sogar mit dem Rivalen Südkorea mithalten kann. Doch statt wirtschaftlichen Aufschwungs ist unter seiner Herrschaft die Verarmung des Landes - dessen Bevölkerung immer wieder unter Hungersnöten leidet - rapide vorangeschritten. Misswirtschaft hat das an Bodenschätzen reiche Land unter der Herrschaft des Kim-Clans ruiniert.

          430.000 Tonnen Nahrungsmittelhilfe

          Carsten Germis
          Wirtschaftskorrespondent in Hamburg.

          Rund sechs Millionen Menschen in dem asiatischen Land sind nach Angaben der Vereinten Nationen von Hunger bedroht und unterernährt. Die wenigen Ausländer, die in der Vergangenheit ins Land durften, berichten von gebeugten Menschen an Bahntrassen und Straßenböschungen, die nach essbaren Wurzeln und Blättern suchen. Rund 430.000 Tonnen Nahrungsmittelhilfe sind nach Angaben der Vereinten Nationen notwendig, um den Nordkoreanern ein Überleben zu sichern.

          Die Industrieproduktion Nordkoreas ist in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zwei Drittel gesunken. Einnahmen an Devisen bezog das kommunistische Land zuletzt hauptsächlich durch internationalen Terrorismus und Drogenhandel. Gleichzeitig unterhält Nordkorea trotz der hungernden Bevölkerung mit mehr als 1,2 Millionen Soldaten eine der größten Armeen Asiens. Ausgaben für das Militär haben für Diktator Kim stets Vorrang gehabt. Auch ein eigenes Atomprogramm hat die Regierung begonnen, während im Lande Zehntausende an Unterernährung starben. Auf der Loyalität des Militärs beruhte die Machtbasis seiner Familie.

          200.000 politisch Gefangene

          Nordkorea ist das Land mit den schwersten Menschenrechtsverletzungen auf der Welt. Rund 200.000 politische Gefangene soll es geben. Auch Kim Jong-ils Sohn - und Nachfolger als starker Mann Nordkoreas - Kim Jong-un stützt sich nach seiner Machtübernahme in erster Linie auf das Militär und die von ihm getragene Kommunistische Partei. Es ist deswegen ungewiss, ob es unter seiner Führung zu einer wirtschaftlichen Öffnung des abgeschotteten Landes kommen wird.

          Aus einem Land, in dem nicht einmal das Geburtsdatum des neuen starken Manns offiziell bestätigt wird, ist es schwer, an zuverlässige wirtschaftliche Daten zu kommen. Ob der Sohn des verstorbenen Diktators, der einen großen Teil seiner Ausbildung im Westen genossen hat, das Land öffnen wird, kann daher niemand sagen. Es gibt aber kleine Zeichen, die Anlass zur Hoffnung geben. So dürfen sich Nordkoreanerinnen seit einiger Zeit etwas modischer kleiden, wird berichtet. Die Restriktionen seien auf Anweisung Kim Jong-uns gelockert worden, jetzt wagten sich sogar schon Frauen in engen Röhrenjeans auf die Straßen. Geschäfte mit China und Japan haben auch in dem kommunistischen Armenhaus Asiens eine kleine wohlhabende Schicht entstehen lassen, die sich der Abschottung widersetzt, die Kim Jong-il mit brutaler Gewalt durchsetzte.

          Anleger fürchten um die Stabilität der Region

          Obwohl das Land in der Weltwirtschaft kaum eine Rolle spielt, fielen die Aktienkurse an der Börse in Tokio und an anderen asiatischen Handelsplätzen deutlich, als am Montag die Nachricht vom Tode des nordkoreanischen Diktators Kim Jong-il verbreitet wurde. Die Anleger, ohnehin durch die Schuldenkrise der Euro-länder verunsichert, befürchteten, dass es in der Region zu einer gefährlichen Instabilität kommen könnte, solange die Nachfolgefrage und die Zukunft Nordkoreas ungeklärt ist. Nach den anfänglichen Kursverlusten haben sich die Marktteilnehmer aber schnell wieder beruhigt.

          Während die Bevölkerung darbt, plündern Arbeiterpartei, Militärs und die regierende Kim-Clique das Land aus. Auch hier gibt es zwar keine zuverlässigen Zahlen; aber der einer luxuriösen Lebensart durchaus zugeneigte Kim Jong-il, der schnelle Autos, schöne Frauen und Alkohol liebte, soll große Geldsummen auf geheime Konten in die Schweiz und auch nach Österreich und nach Hongkong transferiert haben.

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