Nordirland-Protokoll : Kompromiss im Würstchenkrieg zwischen EU und Großbritannien
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Die EU und Großbritannien streiten über Würstchen. Bild: Getty
Die EU bewegt sich im Streit um das Nordirland-Protokoll auf die Briten zu. Denen aber reicht das nicht. Noch wichtiger als der Würstchenkrieg ist Großbritannien die Rolle des Europäischen Gerichtshofes.
Die EU und die britische Regierung waren in dem seit Monaten schwelenden Streit um das Nordirland-Protokoll zuletzt um Deeskalation bemüht. Als London im September die im Austrittsvertrag vereinbarten Übergangsfristen für Warenkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien ein weiteres Mal und ohne Enddatum verlängerte, nahm Brüssel das relativ gelassen „zur Kenntnis“.
Die Europäische Kommission ist nun offenbar sogar bereit, den Briten in einem wichtigen Punkt entgegenzukommen. Sie will akzeptieren, dass viele Lebensmittel dauerhaft ohne Kontrollen zwischen Großbritannien und dem im EU-Binnenmarkt verbliebenen Nordirland zirkulieren.
Es geht um Fleisch, Arzneimittel und den EuGH
Der zuständige Kommissar Maroš Šefčovič werde an diesem Mittwoch konkrete Vorschläge vorlegen, hieß es aus der EU-Behörde. Demnach könnten Produkte wie Würstchen, Schinken oder auch britischer Käse ohne Kontrollen nach Nordirland eingeführt werden, hieß es in Brüssel. Voraussetzung dafür sei, dass sie klar als ausschließlich für den Verkauf im Vereinigten Königreich gekennzeichnet seien und nicht in die Republik Irland weiterflössen. Zuerst hatte die „Financial Times“ darüber berichtet.
Das Angebot soll den von britischen Medien ausgerufenen „Würstchenkrieg“ lösen. Der dreht sich darum, dass nach dem Nordirland-Protokoll Lebensmittel wie gehacktes Fleisch dorthin nur noch eingeführt werden dürfen, wenn die EU-Hygieneregeln eingehalten werden.
Es ist das zweite Mal, dass die EU sich in dem Streit bewegt. Zuvor hatte sie ihre Regeln für Arzneimittel angepasst, um die Versorgung Nordirlands aus Großbritannien zu ermöglichen. Šefčovič hatte hingegen noch kurz vor dem Wochenende klargestellt, dass das Nordirland-Protokoll selbst für die EU unantastbar bleibe.
Dazu gehöre auch, dass der Europäische Gerichtshof weiter über Streitfälle entscheiden soll. Genau das aber ist für die britische Regierung offenkundig viel wichtiger als der Würstchenkrieg. Aus der britischen Regierung hieß es am Wochenende, Brexit-Minister Lord David Frost werde am Dienstag in einer Rede argumentieren, der EuGH sei kein neutraler Gerichtshof. Laut Redepassagen, die der BBC zugespielt wurde, wird Frost sagen, dass das Protokoll „ohne neue Arrangements in diesem Bereich keine Chance hat zu überleben“.
Die Regierung von Boris Johnson hatte dem Nordirland-Protokoll inklusive der EuGH-Rolle 2019 zugestimmt. Dann aber wechselte sie die Tonlage und sagte, sie habe „unter sehr speziellen Umständen“ zugestimmt. Irlands Außenminister Simon Coveney warnte in harschen Worten, die britische Forderung zur Entfernung des EuGH könnte zu einem „Zusammenbruch der Beziehungen mit der EU“ führen.