Neue Technologie für Energiespeicher : Träume von der Riesenbatterie
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Still und kaum sichtbar: In der bayerischen Gemeinde Kochel am See könnte ein Pumpspeicher entstehen. Die Seenlandschaft würde nicht beeinträchtigt Bild: Tourist Information Walchensee
Deutschland braucht in der Energiewende dringend neue Speicher für Ökostrom. Ein Unternehmen plant jetzt den unterirdischen Pumpspeicher.
Es war ein immenser Kraftakt, der 2000 Arbeiter und Ingenieure sechs Jahre in Atem hielt. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg fiel in den bayerischen Voralpen der Startschuss für den Bau eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Riesige Rohre, Turbinen und Generatoren mussten herangeschafft und verbaut werden, bis im Januar 1924 das Walchensee-Kraftwerk in Betrieb gehen konnte. Die nahe gelegene Gemeinde Kochel am See wurde damals zum Vorreiter moderner Energietechnik.
90 Jahre später könnte Kochel am See noch einmal zum Pionier werden. Denn in der 4200-Einwohner-Gemeinde plant das hessische Unternehmen Gravity Power nach Informationen dieser Zeitung ihr erstes unterirdischen Pumpspeicherkraftwerk. Mit dem alten Wasserkraftwerk in der Nähe hat es nichts zu tun, es könnte auch überall anders gebaut werden. „Entstehen soll eine Demonstrationsanlage, mit der wir beweisen wollen, dass unsere modularen Pumpspeicherkraftwerke nicht viel Platz an der Oberfläche benötigen und eine umweltschonende Alternative zu konventionellen Pumpspeichern darstellen“, wirbt Horatio von John, Geschäftsführer der Gravity Power GmbH, die ihren Sitz in Hofheim am Taunus hat.
Der Gemeinderat in der südbayerischen Kommune hat Interesse an dem Projekt bekundet und eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die sich näher mit dem Vorhaben befassen soll und nach einem möglichen Bauplatz Ausschau halten wird. Noch ist nichts endgültig entschieden, dennoch hoffen die Initiatoren, noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen zu können.
Die Forschung läuft auf Hochtouren
Das Vorhaben wäre nicht mehr als eine Randnotiz, würden Energiespeicher in Deutschland nicht dringend gebraucht. Nach den Plänen der Bundesregierung soll im Jahr 2030 die Hälfte des Strombedarfs in Deutschland aus regenerativen Quellen stammen. Fließt der Ökostrom in solchen Mengen, reichen die vorhandenen Speicherkapazitäten bald nicht mehr aus. Das Problem: Wind und Sonne liefern anders als konventionelle Kraftwerke nur unregelmäßig Strom. Wenn es stürmt oder keine Wolken am Himmel zu sehen sind, wird in Deutschland schon heute mehr Strom produziert, als benötigt wird und gespeichert werden kann.
Von zahlreichen Unternehmen wird im ganzen Land an neuen Technologien geforscht, die Strom für kurze oder längere Zeit speichern können: an großen Batterien, an technischen Verfahren, die Strom vorübergehend in speicherbares Gas verwandeln oder an sogenannten Druckluftspeichern. Doch noch immer sind Pumpspeicherkraftwerke im Vergleich zu neueren Ansätzen sehr effizient, wenn es darum geht, Strom in großen Mengen über einige Stunden zu speichern. In diesen Anlagen werden Wassermassen mit überschüssigem Strom in höher gelegene Speicherseen gepumpt. Bei Bedarf fließt das Wasser in die Tiefe und treibt Turbinen an.
Doch die zusätzlich benötigten Großanlagen zu bauen hat sich in Deutschland zuletzt als schwierig erweisen. In Atdorf im Schwarzwald ist der Energiekonzern RWE als einer von zwei Großinvestoren aus dem geplanten Projekt ausgestiegen, im vergangenen Jahr gab der Stadtwerke-Verbund Trianel ein Großprojekt am Rursee in der Eifel auf. Die Energieversorger schreckt ab, dass sich die Anlagen wegen des zwischen Tag und Nacht weniger stark schwankenden Strompreises nicht mehr wie in der Zeit vor der Energiewende rechnen. Zudem gehen die Bürger auf die Barrikaden, wenn ihnen turmhohe Staumauern oder künstlich angelegte Speicherseen vor die Nase gebaut werden sollen.