Verkehr : Wieso die Deutschen mit Elektroautos hadern
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Handfester Antriebswandel: Eine VW-Mitarbeiterin arbeitet an einem Golf mit Hybridmotor. Bild: dpa
Die Deutschen sind immer noch skeptisch, wenn es um Elektroautos geht: Sie sorgen sich um Reichweite und Ladeinfrastruktur. Ganz vorne steht aber ein anderer Grund.
Die Liste des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle reicht von A wie Audi bis V wie Volvo und hat genau 100 Einträge. So viele verschiedene Typen von Elektrofahrzeugen können sich deutsche Kunden derzeit mit der vom Bundesamt vergebenen Elektroautoprämie bezuschussen lassen. Doch ist die Nachfrage nach der hälftig von Staat und Autobranche finanzierten Subvention gering. Lediglich rund 9000 Förderanträge hat das Bundesamt bis Ende Dezember erhalten.
Auch deshalb überlegt die Branche, woran es beim Thema Elektromobilität hapert: am Käuferinteresse oder an geeigneten Fahrzeugen oder an mangelnder Infrastruktur? „Am Angebot mangelt es nicht, sondern an der Nachfrage“, gab sich der Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Matthias Müller, vor einiger Zeit in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung überzeugt. „Auf der einen Seite denken und handeln viele Deutsche im Alltag grün, wenn es aber um E-Mobilität geht, haben wir als Verbraucher spitze Finger“, sagte Müller. „So ganz habe ich dieses paradoxe Phänomen noch nicht verstanden.“
Dass die Verbraucher hierzulande in der Tat zurückhaltend sind, wenn es darum geht, ein Elektroauto tatsächlich zu kaufen, belegen einerseits geringe Absatzzahlen. In Deutschland haben Autohersteller im vergangenen Jahr bis Ende November gut 3 Millionen neue Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren verkauft – ein Anteil von 98,1 Prozent. Vollelektrische Wagen mit Batterie und teilelektrische Plug-in-Hybride, deren Elektromotor an der Steckdose aufladbar ist, kamen zusammen nur auf einen Anteil von 0,7 Prozent.
Skepsis in Deutschland
Diese Zurückhaltung bestätigt nun auch eine aktuelle, nicht-repräsentative Befragung der Unternehmensberatung McKinsey. Für die Erhebung haben die Berater 7000 Konsumenten in den Vereinigten Staaten, Norwegen, China und Deutschland zur Elektromobilität befragt.
In Deutschland gaben dabei 96 Prozent an, dass ihnen generell bewusst sei, dass manche Hersteller schon elektrisch oder teilelektrisch betriebene Autos in ihrem Programm haben. Die Hälfte äußerte, sie habe auch verstanden, wie diese Elektroautos oder Plug-in-Hybride funktionieren. Fast die Hälfte der Verbraucher, nämlich 44 Prozent, haben demnach nach eigener Angabe sogar schon in Erwägung gezogen, ein solchermaßen angetriebenes Auto zu kaufen. Allerdings taten dies dann am Ende lediglich 3 Prozent der Käufer.
Zum Vergleich: 96 Prozent der rund um die Welt befragten Verbraucher haben der Umfrage zufolge überlegt, ein Auto mit Verbrennungsmotor zu kaufen, 73 Prozent setzten diesen Entschluss in die Tat um.
Erklärvideo : Wie funktioniert ein Elektroauto?
Bei den Gründen, die Verbraucher vom Kauf eines Elektroautos abhalten, steht der Kaufpreis ganz vorne. Ein Viertel der in Deutschland und den Vereinigten Staaten befragten Bürger gab an, der Preis schrecke sie ab. Lediglich 13 Prozent äußerten, dass ein bestimmter Autotyp beziehungsweise eine bestimmte Marke nicht verfügbar sei, was gegen das Argument des mangelnden Angebots spricht. Fast ein Viertel sorgte sich dagegen um eine zu geringe Reichweite. Und jeder Fünfte äußerte, dass er zu wenig Möglichkeiten sehe, ein Elektroauto aufzuladen.
Bemerkenswert ist, dass diese Wahrnehmungen sich ändern, sobald Elektroauto-Interessierte auch zu Fahrzeugkäufern werden. Lediglich 13 Prozent der tatsächlichen Elektroautofahrer gaben an, dass sie sich Gedanken über die Reichweite machen. Mangelnde Auflademöglichkeiten stimmten lediglich 11 Prozent bedenklich.
Die Umfrage von McKinsey wirft auch ein Licht auf das Haushaltseinkommen von derzeitigen Elektroautoeigentümern. Demnach gaben 25 Prozent der deutschen Verbraucher an, über weniger als 50.000 Euro im Jahr zu verfügen. Bei einem weiteren Viertel lag das Haushaltseinkommen zwischen 50.000 und 75.000 Euro. Gut jeder Fünfte kommt auf mehr als 100.000 Euro Jahreseinkommen.
Damit gehören die Elekroautofahrer zu den Besserverdienern im Lande. Noch deutlicher ist das in Amerika. Dort haben 55 Prozent der Elektroautobesitzer nach eigenen Angaben 100.000 Dollar oder mehr im Jahr zur Verfügung. Die Einkommensstruktur der Elektroautokäufer in Deutschland könnte sich indes künftig ändern und mehr Menschen mit geringeren Einkommen umfassen. Denn rund zwei Drittel der Befragten, die einen Kauf in Erwägung ziehen, gaben ein Haushaltseinkommen von weniger als 75.000 Euro an.
Mehrheit der Automanager zweifelt am Elektroauto mit Batterie
Anfang vergangenen Jahres hatte das wichtigste Branchenthema für Führungskräfte der Autoindustrie mit dem Internet zu tun. Als das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen KPMG sie damals befragte, welches denn das aktuell drängendste Thema für sie sei, antworteten sie mehrheitlich: vernetztes Fahren und die Digitalisierung der eigenen Branche.
Zwölf Monate und die Folgen des Abgasskandals des Volkswagen-Konzerns später hat ein anderes Thema diese Zukunftsfragen vom ersten Rang der Prioritätenliste verdrängt. Die rund 1000 befragten Manager beschäftigt nun vermehrt die Antriebsfrage. Wie die aktuelle Umfrage „Global Automotive Executive Survey 2017“ ergibt, hält die Hälfte der Führungskräfte Elektrofahrzeuge für das wichtigste Thema. Die digitalen Herausforderungen landen knapp dahinter, gefolgt von der Brennstoffzellentechnik und Hybridfahrzeugen, die gleichzeitig ein Verbrennungsmotor sowie ein Elektromotor antreibt.
Der Wandel zu neuen Antriebsarten macht sich auch in weiteren Ergebnissen der rund um die Welt unter Herstellern, Zulieferern und Dienstleistern durchgeführten Befragung bemerkbar. Demnach gaben drei Viertel der Führungskräfte an, dass Verbrennungsmotoren zwar auch in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen werden. Gleichzeitig unterschreibt jeder zweite Manager die Aussage, der Dieselmotor habe keine Zukunft.
Allerdings stecke die Autobranche mit diesen Einschätzungen auch in einem Dilemma, was die Investitionen in neue Antriebe betreffe, sagt KPMG-Partner Dieter Becker, der bei dem Beratungsunternehmen die Autosparte führt. Das verdeutlicht die Tatsache, dass 62 Prozent der Manager davon ausgehen, dass batteriebetriebene Elektroautos scheitern werden, weil die Ladeinfrastruktur fehlt. Acht von zehn gaben deshalb an, dass der eigentliche Durchbruch alternativer Antriebe mit der Brennstoffzelle komme.
Besorgt zeigten sich die befragten Führungskräfte über die unsichere politische Lage. Rund 60 Prozent stimmten der Aussage zu, dass 2017 politisch gesehen ein „Höllenjahr“ werde. Die Furcht vor politischen Veränderungen sei damit so wichtig wie Ängste vor Terrorismus, Krieg oder Naturkatastrophen, sagte Becker. magr.