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Jonas Jansen, Redakteur in der Wirtschaft

Digitale Wirtschaft : Die Revolution ist abgesagt

  • -Aktualisiert am

Verändert die Blockchain-Technik die Welt? Bild: Polaris/laif

Das Finanzsystem umkrempeln, die Energieversorgung demokratisieren und Amtsbesuche am besten gleich überflüssig machen. Die Blockchain-Revolutionäre haben Großes vor. Doch kann die Technik das auch einlösen?

          3 Min.

          Die Revolutionäre haben sich viel vorgenommen: die Umwälzung des Finanzsystems, der Versicherungsindustrie und der Energieversorgung, kurzum eine Demokratisierung aller Handels- und Kommunikationswege, wie wir sie heute kennen und nutzen.

          Mit Hilfe der Technologie der „Blockchain“ wollen sie alle Intermediäre abschaffen, also Zwischenhändler wie Banken, Börsen oder Kreditkarteninstitute. Es brauchte keine Berater und Wirtschaftsprüfer mehr. Die Erschaffer der Blockchain wollen auch die Macht der Konzerne brechen.

          Die neue Technologie ist freilich so kompliziert, dass sie kaum jemand versteht. Das lässt viel Raum zum Träumen. Die Blockchain muss man sich vorstellen als digitales Kassen- oder Haushaltsbuch: Transaktionen werden dort verzeichnet, in Blöcke gespeichert und aneinandergereiht, wie die Perlen einer Kette.

          Bitcoins als bekanntestes Beispiel

          Daher rührt der Name. Erfunden wurde die Blockchain von einer unbekannten Person namens Satoshi Nakamoto, die vor acht Jahren ein Konzeptpapier zur digitalen Kunstwährung Bitcoin veröffentlichte. Als Handelsplattform für eine verschlüsselte Kryptowährung setzte Nakamoto auf das Konzept einer Blockchain. Bis heute sind Bitcoins ihr bekanntestes Anwendungsbeispiel.

          Tatsächlich bietet diese Konstruktion einige Vorteile. Anders als bei einer normalen Transaktion zwischen zwei Bankkonten liegen in der Blockchain die Datenblöcke, die eine Transaktion als ausgeführt kennzeichnen, auf Millionen unterschiedlichen Computern.

          Nur wenn alle Teilnehmer der Blockchain auf allen Rechnern das Signal bekommen haben, dass der Handel stattgefunden und Person A von Person B das Produkt erhalten hat, wird der bestehenden Kette ein neues Glied hinzugefügt.

          Gefahr von Steuerflucht und Schwarzgeldwäsche verschärft

          Das schafft Transparenz, weil es für alle Marktteilnehmer einsehbar ist. Person A kann dasselbe Gut nicht noch einmal an Person C verkaufen, selbst im Falle einer Manipulation mehrerer Computer gäbe es Millionen andere, die den Betrug aufdecken würden. Trotz der Fälschungssicherheit und Transparenz sind die Marktteilnehmer anonym. Ihre Identität ist verschleiert durch einen Code.

          Da freilich beginnen die Schwierigkeiten: Bitcoins zum Beispiel kann man in digitalen Portemonnaies speichern, den „Wallets“. Eine Person kann auch mehrere haben, so wie man sich viele Konten einrichten kann.

          Allerdings verschärft das Konzept durch die Anonymität die Gefahr von Steuerflucht und Schwarzgeldwäsche, weil die Einrichtung eines Kontos viel simpler ist. Fast alle Kommunen zögern deshalb, Bitcoins als Zahlungsmittel anzunehmen - bis auf wenige Ausnahmen wie die Gemeinde Zug in der Schweiz.

          Keine Warten mehr auf Amtstermine?

          Nun gelten Behörden nicht als Treiber von Innovation, und tatsächlich geht mit der Blockchain-Technologie vor allem ein Zeitvorteil einher: Wer heute zwei Tage wartet, bis das Geld von der einen Bank zur anderen wandert, könnte morgen auf Knopfdruck bezahlen. Wer heute wochenlang auf Termine beim Amt wartet, könnte morgen Anmeldungen in Sekundenschnelle erledigen, wenn die technischen Voraussetzungen dafür gegeben wären.

          Da liegt das nächste Problem: Nur weil etwas technisch möglich ist, heißt es nicht, dass es auch erlaubt ist. Regularien zum Datenschutz hecheln schon heute den technischen Möglichkeiten hinterher, die durch große Internetkonzerne wie Facebook und Google immer wieder über Grenzen gehoben werden.

          Wenn ein Straßenzug in Brooklyn in New York seine Energieversorgung über eine Blockchain abwickelt, ist das schön und gut, aber bis eine ganze Stadt ohne einen Energieversorger mit Wärme versorgt wird, dürfte es noch Jahre dauern. Das braucht weitdenkende Entwickler, die sich durch Auflagen und städtebauliche Hindernisse kämpfen. Fördern könnten so etwas ausgerechnet die als behäbig geltenden großen Institutionen.

          Ein Bankenkonsortium von Deutscher Bank bis UBS hat sich unter dem Namen R3 zusammengefunden, um an der Technik zu arbeiten. Die „großen fünf“ der Wirtschaftsberatungsunternehmen wie Deloitte und PWC stimmen sich ab, jedes Unternehmen experimentiert schon für sich mit der Blockchain.

          Evolution statt Revolution?

          Der Fortschritt wird vor allem von Konzernen wie Microsoft getrieben, die ihre Cloud-Technologie zur Verfügung stellen, damit man dort die Blockchains aufsetzen kann. Auch hier profitieren also vorerst die marktmächtigen Spieler der Internetwelt. Das sollte man ihnen nicht vorwerfen, denn wenn so viele Menschen Facebook und Google nutzen, machen diese Unternehmen offensichtlich einiges richtig.

          Die Revolution freilich ist abgesagt. Wer genau hinschaut, erkennt, dass in der Aufregung über die Blockchain vor allem diejenigen zuvorderst Lösungen entwickeln, deren Macht und Einfluss durch die neue Technologie beschränkt werden soll.

          Das zeigt, wie bedroht sich Banken fühlen, doch werden sie alles tun, um nicht abgehängt zu werden. Unbestritten wird die Blockchain neue Märkte schaffen, doch die Mittelsmänner werden bleiben. Vielleicht profitieren Kunden am Ende von niedrigeren Preisen und besserem Service. Doch braucht es dafür keine sprachliche Aufrüstung. Man sollte der Revolution den ersten Buchstaben streichen.

          Jonas Jansen
          Wirtschaftskorrespondent in Düsseldorf.

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