Telekommunikation : Benq steht vor der Insolvenz
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Finanziell am Ende Bild: AFP
3000 Beschäftigte müssen zittern: Der Handyhersteller Benq Mobile ist in Deutschland finanziell am Ende und plant, Insolvenz zu beantragen. Die Pleite hat auch Auswirkungen auf Chiphersteller Infineon, der Großkunde bei Benq ist.
Der deutsche Handyhersteller Benq Mobile ist finanziell am Ende. Das Unternehmen werde in den kommenden Tagen Insolvenzantrag beim Amtsgericht München stellen, sagte ein Sprecher am Donnerstag. „Jetzt ist wirklich Feuer unterm Dach.“
Der taiwanesische Mutterkonzern Benq stelle die Zahlungen an die Tochter in Deutschland ein. „Trotz erreichter Fortschritte beim Einsparen von Kosten und Aufwendungen, hat sich der Verlust ausgeweitet und diese sehr schmerzliche Entscheidung unvermeidbar gemacht“, sagte Benq-Chairman Kuen-Yao Lee.
Geschäft wird aus Asien heraus fortgeführt
Benq Mobile beschäftigt in Deutschland derzeit rund 3000 Menschen. Betroffen sind die Zentrale in München sowie die Produktionsstandorte Bocholt und Kamp-Lintfort in Nordrhein-Westfalen. Das Unternehmen will das Geschäft mit Handys der Marke Benq-Siemens laut Mitteilung aus Asien heraus fortführen.
Die Umsatz- und Margenentwicklung für das deutsche Weihnachtsgeschäft sei hinter den Erwartungen zurückgeblieben, erklärte der Benq-Sprecher. Nun fehlten die nötigen flüssigen Mittel.
Auch Infineon ist betroffen
Die Pleite von Benq Mobile stellt auch den Halbleiter-Konzern Infineon voraussichtlich vor neue Probleme bei der Sanierung seiner Telekommunikationschip-Sparte. Für den Konzernbereich Communications werde es vermutlich schwerer, plangemäß im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2006/07 die Ertragswende zu schaffen, sagte ein Firmensprecher. Die Telekomchip-Sparte mache rund 15 Prozent ihres Umsatzes mit Benq. Der Anteil am gesamten Logikchip-Geschäft betrage fünf Prozent. Infineon werde analysieren, in welchem Umfang es durch die Insolvenz betroffen sein werde, sagte der Sprecher. Die Münchener müßten abwarten, welche Auswirkungen die angekündigte Verlagerung des Benq-Handygeschäfts nach Asien auf
das eigene Geschäft haben werde.
Drastische Konsequenzen würde ein Wegfall von Benq als Großkunde nicht bedeuten, betonte der Sprecher. „Die Existenzfrage stellt sich dadurch für Com nicht.“ Infineon hat sich in den vergangenen Quartalen von Benq als Kunde zunehmend unabhängig gemacht. Die einstige Handysparte von Siemens hatte seit dem Kauf durch die Taiwaner vor einem Jahr drastisch Marktanteile verloren und produzierte zuletzt nur noch 3,2 Prozent aller weltweit verkauften Mobiltelefone. Der Chipkonzern verbreiterte in der Folge seine Kundenbasis und gewann zuletzt Samsung und LG Electronics als Kunden für seine Handy-Halbleiter. Die Infineon-Aktie brach um sechs Prozent auf 9,12 Euro ein.
Stetiger Verlust von Marktanteilen
Der Benq-Konzern ist Hersteller von Flachbildschirmen und Laptops. Er hatte im vergangenen Jahr die Handysparte von Siemens übernommen. Die deutsche Benq-Tochter hatte seit dieser Übernahme stetig Marktanteile verloren, die meisten Modelle floppten am Markt. Benq begründete das Zudrehen des Geldhahns mit den steigenden Verlusten in Deutschland.
„Seit Oktober 2005 haben wir eine übermäßige Menge an Kapital und Ressourcen in unsere deutsche Mobiltelefontochter gesteckt“, sagte Konzernchef K.Y. Lee in Taipeh. Erst vor wenigen Wochen hatten die Asiaten noch einmal 400 Millionen Dollar in die deutsche Tochter investiert.
SPD fordert, deutsche Sparte nicht einfach fallen zu lassen
Die SPD forderte den taiwanesischen Konzern auf, die deutsche Sparte nicht einfach fallen zulassen. „Eine Insolvenz muß nicht zwangsläufig das Aus für die komplette Produktion bedeuten“, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Rainer Wend, der Netzeitung. „Ich erwarte von Benq, daß sie eine Perspektive für eine Fortführung der Handy-Fertigung schaffen.“ Der Konzern dürfe „sich nicht einfach davonstehlen“. Denkbar sind für Wend neue Partner, um die Handy-Fertigung in Deutschland zu halten.
In Taiwan erklärte Benq, auch die Mobilfunk-Standorte in Brasilien „und woanders“ würden ihre „finanzielle Lage überprüfen“. Benq Mobile hat nach eigenen Angaben weltweit rund 8000 Beschäftigte, neben Deutschland und Brasilien auch in China, Polen und im Mutterland Taiwan. Das Unternehmen, eine Abspaltung des Computerherstellers Acer, ist nach eigener Darstellung einer der weltweit größten Anbieter von Mobilfunkgeräten. Angestrebt war im vergangenen Jahr, die Nummer sechs unter den internationalen Handy-Herstellern zu werden.
Handy-Sparte von Siemens schrieb vor dem Verkauf Verluste
Der Verkauf der Handysparte des Mobilfunkpioniers Siemens an das bis dahin weitgehend unbekannte taiwanesische Unternehmen hatte im vergangenen Jahr für Aufregung gesorgt. Siemens schrieb vor dem Verkauf Verluste von 1,5 Millionen Euro pro Tag mit seiner Handy-Sparte. Der Konzern hatte nach Branchenmeinung wichtige Neuerungen verpaßt.
Die IG Metall reagierte empört auf das drohende Aus für die deutschen Arbeitsplätze: „Die bevorstehende Insolvenz von Benq ist Folge des eklatanten Versagens des Managements“, erklärte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer. Der Gewerkschafter übte harte Kritik am Siemens-Management um Konzernchef Kleinfeld: „Damit ist zum wiederholten Mal traurig bewiesen, daß die Probleme in einzelnen Teilen von Siemens nicht an den angeblich zu hohen Gehältern der Beschäftigten, sondern an der Unfähigkeit des
Managements liegen.“
IG Metall: Der Vorgang bestätigt Kritiker von damals
Neugebauer forderte den Konzern zum Eingreifen auf: „Siemens ist und bleibt jetzt in der moralischen Verantwortung!“ Der Gewerkschafter erklärte, der Vorgang bestätige Kritiker von damals, daß sich Siemens nach eigenem Mißmanagement nicht nur der Sparte entledigt habe, sondern vor allem auch der Verantwortung für seine Beschäftigten. Siemens selbst äußerte sich nur in knappen Worten zu dem überraschenden Aus seiner Ex-Sparte: „Wir bedauern das sehr“, teilte eine Sprecherin mit.
Betroffen von der Entscheidung Benqs ist auch der Geschäftspartner in Deutschland, der Speicherchiphersteller Infineon. Der Kurs des Unternehmens verlor am Donnerstagmittag deutlich um 2,16 Prozent auf 9,50 Euro.