Präsentation in Berlin : Das „Jesus-Phone“ und sein graubärtiger Vater
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399 Euro wird der Preis sein Bild: AP
Das Gerücht gab es schon lange, jetzt ist es offiziell: T-Mobile wird in Deutschland das neue iPhone von Apple exklusiv vertreiben. Apple-Chef Jobs präsentierte in Berlin sein neues Liebslingskind. Christian Geinitz war dabei.
Auch Englischlehrer haben ihre Tricks. Um den Schülern den schwer verdaulichen Romancier James Joyce schmackhaft zu machen, verriet einst ein Pädagoge, dass irgendwo in seinem Werk die Telefonnummer des lieben Gottes zu finden sei. Kaum jemand fand sie, weil kaum jemand sie suchte. Zum einen, weil man sich deutlich mehr für die Telefonnummern der Klassenkameradinnen interessierte, zum zweiten weil Ferngespräche in den achtziger Jahren noch teuer waren.
Heute könnte die Himmelsnummer wieder attraktiv sein: Die Klassenkameradinnen sind alle verheiratet, das Telefonieren ist so billig wie nie, und vor allem gibt es demnächst auch in Deutschland ein angemessenes Handy für den göttlichen Anruf: das „Jesus Phone“.
Prominenz und viel Tamtam
So nennen teure Marketingkampagnen und eilfertige Kunden das neue Mobiltelefon „iPhone“ von Apple, das eine einfache frohe Botschaft predigt: Wer mir folgt, schaut eine neue Welt! Das iPhone kann nicht nur telefonieren, online gehen, E-Mails senden oder fotografieren, sondern auch Filme und Musik hochladen, abspielen oder weitersenden. Und das alles angeblich in einer bisher ungekannten Geschwindigkeit, Brillanz und Bedienungsfreundlichkeit über eine Benutzeroberfläche ohne Tasten.
Am 9. November - einem wichtigen Tag der deutschen Geschichte nicht erst seit 1989 - kommt das Telefon in den deutschen Handel. Am Mittwoch kündigte die Deutsche Telekom mit viel Prominenz und großem Tamtam an, dass sie mit Apple einen Exklusivvertrieb für Deutschland vereinbart habe, den ersten in Europa nach der Markteinführung in Großbritannien durch O2. Mit einem Zweijahresvertrag von T-Mobile sei das 8-Gigabite-Modell für 399 Euro erhältlich, ausschließlich in Telekom-Geschäften oder online über T-Mobile. Die monatlichen Kosten werde man rechtzeitig vor Verkaufsbeginn bekanntgeben.
„Das ist das Tolle an freien Märkten“
Um das Telefon der unbegrenzten Möglichkeiten aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorzustellen, ist eigens Steve Jobs nach Berlin gereist. Der legendäre Gründer und Vorstandsvorsitzende des amerikanischen Computeravantgardisten Apple fällt unter den Telekom-Granden auf wie einst sein Macintosh unter den PCs - und das nicht nur, weil er mit 52 Jahren deutlich älter ist als die neue Managerriege. Statt Anzug und Magenta-Krawatte wie Telekom-Chef René Obermann trägt Jobs einen schwarzen Pulli, Turnschuhe und eine verwaschene Jeans ohne Gürtel, die er hin und wieder hochziehen muss. Er ist nicht glattrasiert, wie alle andern hier, sondern trägt zu seinen ausgeprägten Geheimratsecken und den runden rahmenlosen Brillengläsern einen etwas struppigen und ziemlich grauen Vollbart.
Er sieht nicht aus wie ein Englischlehrer, aber ziemlich genau wie ein Erdkundelehrer. Nur dass seine Einstellung zum Kapitalismus eine andere ist. „Das ist das Tolle an freien Märkten“, sagt er an einer Stelle, „dort gibt es Wettbewerb“. Wenn die Konkurrenz das iPhone jetzt kopiere und noch besser mache, dann sei das gut für die Kunden, man selbst müsse sich eben noch mehr anstrengen. So leicht verständlich war der Erdkundeunterricht nie, Englisch erst recht nicht.
Der Umgang ist recht amerikanisch
Apropos: Bei der Vorstellung in der schmucken Hauptstadtrepräsentanz der Telekom in Berlin läuft alles auf „english“ ab, auch wenn man das Wort auf dem riesenhaften Präsentationsbildschirm falsch geschrieben hat. Wahrscheinlich ist diese Internationalität unentbehrlich für den selbsternannten Weltkonzern T-Mobile, der sich damit brüstet, in der ganzen Welt 112 Millionen Kunden zu bedienen - darunter ein Drittel in Deutschland - und die meisten drahtlosen Einwahlknoten für das Internet (Hotspots) zu unterhalten, 20.000 in der ganzen Welt, 8000 allein in Deutschland.
Auch der Umgang untereinander ist recht amerikanisch heute. Der T-Mobile-Vorstandsvorsitzende Hamid Akhavan und einige deutsche Journalisten nennen Jobs salopp beim Vornamen, nur ein Kollege der „New York Times“ zeigt, dass es in Amerika auch anders geht und sagt unbeirrbar „Mister Jobs“.
Kein Kommentar zu den erwarteten Absatzzahlen
Mister Jobs, dem das Blitzlichtgewitter huldigt wie einem Hollywood-Schauspieler, ist der Star der Veranstaltung - auch wenn das eigentlich das neue Telefon sein sollte. Doch zum einen wissen die meisten Zuschauer schon alles über das kleine Wunderding: Schließlich wird es in den Vereinigten Staaten seit dem 29. Juni verkauft, und in Deutschland war die „Exklusivmeldung“ über den „Exklusivvertrag“ schon lange vor Mittwoch bekannt. Zum anderen widersetzen sich Jobs und Akhavan stoisch jeder Nachfrage.
Kein Kommentar zu den erwarteten Absatzzahlen oder dazu, in welchen anderen Ländern man das iPhone als nächstes einführe. Fehlanzeige auch bei der Frage, welche Konditionen T-Mobile Apple zugestehe. Gerüchte besagen, dass Jobs bei Akhavan eine Umsatzbeteiligung von 10 bis 30 Prozent habe durchsetzen können. Auskunftsfreudiger sind die beiden zu den Erfolgen auf dem amerikanischen Markt. Innerhalb von nur 74 Tagen habe man dort mehr als eine Million iPhones verkauft, sagte Jobs. Eine Kundenbefragung habe ergeben, dass 95 Prozent der Benutzer glücklich oder sehr glücklich mit dem Gerät seien. „Das ist ungewöhnlich - normalerweise hassen die Leute doch ihr Telefon.“