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Netflix : Das große Fernsehspiel

Das Netflix-Hauptquartier sieht aus wie eine mediterrane Villa und liegt im Silicon Valley in Kalifornien. Bild: picture-alliance/ dpa

Die Online-Videothek Netflix hat das Fernsehen in Amerika revolutioniert. Jetzt kommt das Angebot nach Deutschland.

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          Emerson Gordon vermisst nichts, seit er kein Kabelfernsehen mehr hat. Als der Flugbegleiter vor fünf Jahren in eine neue Wohnung in New York umzog, hat er sein Abonnement gekündigt. Über das Nachrichtengeschehen hält er sich im Internet auf dem Laufenden, und wenn ihm nach Fernsehshows oder Filmen ist, verlässt er sich auf Netflix. „Das liefert mir mehr Unterhaltung, als ich jemals brauchen werde“, sagt der 55 Jahre alte Gordon über die Online-Videothek. Sicher, damit entgehen ihm Sportereignisse und andere Live-Veranstaltungen. Aber das ist ihm nicht so wichtig, jedenfalls nicht wichtig genug, um dafür viel mehr Geld auszugeben. „Warum soll ich 100 Dollar im Monat für Kabel zahlen, wenn ich Netflix für 8 Dollar haben kann?“ Gordon sagt, er habe mindestens zehn Freunde, die sich wie er mittlerweile Kabel sparen und auf Netflix beschränken.

          Roland Lindner
          Wirtschaftskorrespondent in New York.

          Solche Geschichten hört man in Los Gatos auf der anderen Seite Amerikas gerne. In der verschlafenen Kleinstadt am südlichen Ende des kalifornischen Silicon Valley ist Netflix zu Hause, in einer Zentrale, die wie der Nachbau einer toskanischen Villa aussieht. Von hier aus arbeitet das Unternehmen fieberhaft daran, die Fernsehgewohnheiten der Menschen auf den Kopf zu stellen und das Machtgefüge in der Medienindustrie aufzumischen.

          Das heißt: Schluss mit dem starren Programmkorsett von Fernsehsendern! Schluss mit dem Warten auf die nächsten Folgen der Lieblingsserie! Stattdessen Fernsehen auf Abruf über das Internet per „Streaming“. Und zunehmend auch eigene Produktionen wie das Politdrama „House of Cards“ mit Kevin Spacey oder die Gefängnis-Serie „Orange is the new Black“. Das Konzept hat in Amerika funktioniert, und nun nimmt sich Netflix auch den deutschen Markt vor.

          Kinofilme mit Brad Pitt

          Am 16. September will das Unternehmen hier seine Premiere feiern. Die Deutschen dürfte dabei vor allem die Frage bewegen, ob die vorhandene Infrastruktur überhaupt ein massenhaftes Filmegucken im Internet ohne Störungen zulässt, zumal es hierzulande noch immer Lücken in der Breitbandversorgung gibt. Das Unternehmen zeigt sich zuversichtlich und meint, dass viele deutsche Haushalte über eine ausreichend schnelle Internetverbindung verfügen, um Netflix-Inhalte in guter Qualität sehen zu können. Auch Smartphones und Tabletcomputer mit der High-Speed-Mobilfunkverbindung 3G können das Angebot gut übertragen. Wer mit seiner Internetverbindung Youtube-Videos ansehen könne, der könne auch Netflix-Inhalte störungsfrei genießen.

          In das Deutschland-Abenteuer geht Netflix mit dem Wissen, auf seinem Heimatmarkt in einer Liga mit den großen Medienkonglomeraten zu spielen. Es mag in der vergangenen Woche einen kleinen Dämpfer gegeben haben, als Netflix-Produktionen bei den Emmy-Fernsehpreisen weitgehend leer ausgegangen sind. Aber allein die mehr als 30 Nominierungen waren schon eine reife Leistung für einen relativen Neuling in der Fernsehlandschaft wie Netflix. Dabei reichen die Ambitionen des Unternehmens noch weit übers Fernsehen hinaus. Wie Mitgründer und Vorstandsvorsitzender Reed Hastings in einem Interview in Los Gatos sagt, kann sich Netflix vorstellen, künftig auch Kinofilme zu machen. Gerne auch Großproduktionen mit Superstars wie Brad Pitt oder Tom Cruise.

          Hastings ist groß gewachsen, hager und hat ein graues Ziegenbärtchen. Mit seinen 54 Jahren entspricht er nicht mehr ganz dem landläufigen Bild des jugendlichen Silicon-Valley-Unternehmers, und als studierter Mathematiker und Informatiker passt er auch nicht so richtig zum Glamour der Medienindustrie. Er sagt, er schaue sich Preisverleihungen lieber im Fernsehen an, als selbst hinzugehen, auch wenn er eingeladen wird.

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