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Digitaler Wandel : Alles wird Amazon

Die Wall Street macht für Amazon eine Ausnahme

Nebenbei hat der Konzern ein vielleicht nicht ganz so glamouröses, aber immer wichtigeres Geschäft im Wachstumsgebiet „Cloud Computing“. Die Sparte Amazon Web Services (AWS) stellt Computerkapazitäten für Unternehmen und Behörden bereit, die ihre Informationstechnologie in die Datenwolke des Internet („Cloud“) auslagern wollen. Dies könnte eines Tages vielleicht sogar das größte Geschäft von Amazon werden, wie Bezos unlängst im Gespräch mit dieser Zeitung sagte. Und auch das ist ein Schlag für andere – in diesem Fall für etablierte IT-Konzerne, die vergleichbare Dienstleistungen im Zweifel viel teurer anbieten oder anbieten würden, wenn es Amazon nicht gäbe. Bezos jagt also vielen Unternehmen Angst ein, die um ihr Revier fürchten – und längst nicht nur Verlagen. Der Amazon-Chef selbst will aber den Vorwurf nicht gelten lassen, er sei ein Zerstörer. Gerade für kleine Unternehmen sei Amazon sogar eine große Chance, beteuert er. Schließlich liefere Amazon, der Online-Händler, eine Plattform, auf der auch Dritte ihre Waren verkaufen können – was diese tatsächlich in großer Zahl und häufig sehr erfolgreich tun. Und der Cloud-Dienst AWS erleichtere Gründerunternehmen den Start, ohne dass sie viel Geld in eine eigene Computer-Infrastruktur investieren müssen. Auch das ist wahr: Wenn ein kleines Unternehmen heute ein neues Softwareprojekt testen will, nutzt es dafür sehr häufig die von AWS bereitgestellte, preisgünstige Rechenzentrumskapazität. Amazon arbeitet stets so effizient wie kein zweiter, nutzt Technologie, wo es nur geht – und zeigt, welches Potential in digitalen Unternehmen steckt, die die Chancen der IT perfekt nutzen. Mit dieser Welt ist Bezos schon früh in seinem Leben in Berührung gekommen, als er an der Wall Street in New York Computersysteme programmierte, die man als Vorläufer des heute so umstrittenen Hochfrequenzhandels bezeichnen kann. Die Karriere, die ihm an der Wall Street weit offen stand, hat er aber hinter sich gelassen, weil er noch viel Größeres vorhatte und spürte, welches Potential im Online-Handel steckt. Bezos begann wie so viele andere amerikanische Technologieunternehmen in einer Garage und verkaufte von hier aus Bücher über das Internet. Bis heute lässt Bezos nichts unversucht, seine Kunden immer noch ein bisschen billiger und noch ein bisschen schneller zu beliefern. Er bedient sie aus einem rasant wachsenden Netz an Distributionszentren, in dem zunehmend auch Roboter zum Einsatz kommen. In nicht allzu ferner Zukunft will er Bestellungen per Drohne ausliefern lassen.

Er selbst wird nicht müde, Gründergeist zu propagieren, und schreibt in seinem jährlichen Aktionärsbrief regelmäßig, aus seiner Sicht sei es noch immer „Tag 1“. Die Formulierung ist so etwas wie ein inoffizielles Unternehmensmotto. Bezos gebrauchte sie schon beim Börsengang 1997, um damit zu sagen, dass das Internet nach seiner Überzeugung noch in seinen Anfängen steckt und entsprechend viel Potential für Amazon zu heben ist. In der Zentrale von Amazon in Seattle gibt es Gebäude mit den Namen „Day 1 North“ und „Day 1 South“. Für Abwehrschlachten hat Bezos kein Verständnis, er ist stets in der Offensive.

Amazon ist berüchtigt dafür, regelmäßig spärliche Gewinne oder gar Verluste auszuweisen, weil das Unternehmen so viel in neue Geschäfte und den Ausbau seiner Marktanteile investiert. An der Börse wird Amazon das nicht verübelt, der Konzern wird hoch bewertet. Bezos hat die sonst oft auf kurzfristige Ergebnisse fixierte Wall Street dazu gebracht, für Amazon eine Ausnahme zu machen und seiner langfristig ausgerichteten Philosophie zu folgen: Wirklich entscheidend ist, was einmal aus Amazon werden kann, und nicht so sehr, was es heute ist. Für alle angestammten Anbieter auf Märkten, die Amazon betritt, ist das eine Kriegserklärung. Wenn man dem Literaturagenten Fritz und dem Buchhandels-Lobbyisten Skipis zuhört, weiß man, dass diese Erklärung nun angenommen worden ist – wenn auch mit zwei Jahrzehnten Verspätung.

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