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Zum 30. Geburtstag : Happy Birthday, liebe E-Mail!

Am 3. August 1984 kam die erste E-Mail in Deutschland an. Bild: dpa

Vor 30 Jahren erreichte die erste E-Mail Deutschland – der Beginn einer Erfolgsgeschichte, wie sie zuvor vielleicht nur das Telefon ausgelöst hatte. Und sie ist noch nicht vorbei.

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          Als in Deutschland die erste offizielle E-Mail geöffnet wurde, war es kalt, obwohl gerade Hochsommer herrschte. An diesem Sonntag vor 30 Jahren saß Michael Rotert in einem Rechnerraum im Keller der Universität Karlsruhe. Um ihn herum surrten die Lüftungsanlagen für die Computer auf Hochtouren, während Rotert sich auf ein bernsteinfarbenes Computerterminal konzentrierte. Mehrere Monate hatte der Informatiker daran gearbeitet, den ersten Mailserver hierzulande aufzubauen und eine stabile Verbindung nach Amerika herzustellen. Er hatte Software neu programmiert und umgeschrieben und immer wieder Verbindungsprobleme gelöst – wenn es sein musste per Telefon mit den schon ans Mail-Netz angeschlossenen Kollegen in den Vereinigten Staaten.

          Martin Gropp
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Am 3. August 1984 war es dann so weit. Wie heute gab es einen Klingelton, und auf dem Terminal erschien der Text: „Michael, das ist Dein offizielles Willkommen zum Computer Science Network. Wir freuen uns, Dich dabeizuhaben.“ Für Rotert war es das vorläufige Ende des anstrengenden Verbindungsaufbaus, für Deutschland der Anfang einer Kommunikationsrevolution, wie sie vorher vielleicht nur das Telefon ausgelöst hatte.

          Heute, 30 Jahre danach, erinnert sich Rotert an seinen persönlichen „Heureka“-Moment, wie er den ersten Empfang einer Mail in Anlehnung an den oft zitierten Ausspruch des griechischen Mathematikers Archimedes nennt. „Das war schon ein Ding: Man schickt etwas weg, es geht um die halbe Welt, und dann kommt fast umgehend eine Reaktion zurück“, sagt Rotert, der heute Informatikprofessor an der Universität Karlsruhe und Vorstandsvorsitzender des Verbands der deutschen Internetwirtschaft Eco ist. Dabei war das Versenden und Empfangen noch nicht das unmittelbare Erlebnis, das es heute oft ist: Aus Kostengründen wählte sich der Mail-Server nur in Abständen in das Netz ein, und die Mails wurden mehrmals pro Tag stapelweise abgerufen. Der Versand oder Empfang einer DIN-A4-Seite Text kostete in heutigen Preisen 20 Cent, international schlugen 30 Cent zu Buche.

          Viele können sich nicht vorstellen, auf die E-Mail zu verzichten

          Unter seinem Chef Werner Zorn hatte der damals 34 Jahre alte Rotert in den achtziger Jahren begonnen, innerhalb des Deutschen Forschungsnetzes DFN den Zugang zum amerikanischen Computer Science Network herzustellen. Sehnsüchtig habe er dann den Eintritt in das Netzwerk erwartet, das seit 1981 immer mehr Informatiklehrstühle und Computerforscher in Amerika miteinander verband, die sich darüber austauschten.

          Zorn und Rotert wollten dabei sein, weil die E-Mail das Tor zu anderen Diensten aufgestoßen hätte, wie Rotert erklärt. Zum Beispiel zu der Übertragung von Software oder anderen Daten, aber auch zum Austausch in sogenannten Net-News-Gruppen, in denen die Wissenschaftler ihre Informatikprobleme besprachen und sich gegenseitig halfen. „Die vollen Dienste waren das Ziel, aber man musste erst einmal in die Community reinkommen, sich mit dem System vertraut machen und die richtigen Leute kennenlernen“, sagt Rotert. „Und um an die heranzukommen, war die E-Mail der Türöffner.“

          Internet-Pionier Michael Rotert
          Internet-Pionier Michael Rotert : Bild: dpa

          Reinhard Karger, der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Informationswissenschaften (DGI), schätzt die Wirkung der elektronischen Post sogar noch etwas höher ein. „Die Einführung der E-Mail ist für die schriftliche Kommunikation so epochal wie die Erfindung des Rads für die Mobilität“, sagt Karger. „Die Welt der Sätze und Texte wurde damit zum globalen Echtzeit-Dorf.“ Allerdings dauerte es zumindest in Deutschland noch eine Weile, bis auch die breite Masse den Weg in dieses Dorf fand. „Die ersten 15 Jahre waren gewissermaßen noch .Jugend forscht“, sagt Jan Oetjen, der Vorstandsvorsitzende des deutschen Internetdiensteanbieters 1&1, der auch die E-Mail-Dienste wie GMX und Web.de betreibt. Die massenhafte Verbreitung habe dann erst Mitte der neunziger Jahren stattgefunden. Das zeigt sich auch an den von Oetjen mitbetreuten Diensten. Zwischen 1998 und heute hat sich die Zahl der mindestens einmal im Monat aktiven Mail.Nutzer von GMX und Web.de von 2,6 Millionen auf 31 Millionen fast verzwölffacht.

          An der Durchdringung mit E-Mail haben laut Oetjen auch neuere Dienste wie das soziale Netzwerk Facebook oder die Nachrichtenanwendung Whatsapp nicht viel geändert. „Es ist ja schon viel über die Mail diskutiert worden und darüber, ob sie von anderen Angeboten verdrängt wird“, sagt Oetjen. Gerade die Jungen nutzen doch keine E-Mail mehr, habe es dann geheißen. „Fakt ist, dass zumindest unser E-Mail-Nutzerstamm in den vergangenen fünf Jahren im Schnitt um ein halbes Jahr gealtert ist“, sagt Oetjen. Das Durchschnittsalter der Internetnutzer sei im selben Zeitraum dagegen um anderthalb Jahre gestiegen. Das spricht zumindestens für relativ jung gebliebene Mail-Nutzer. Ein Grund dafür sei, dass ohne E-Mail-Adresse auch heute noch nicht viel im Internet gehe: „Man kann nicht im Netz bestellen oder sich für andere Dienste anmelden.“ Deshalb sei auch für junge Menschen eine E-Mail-Adresse notwendig, sagt Oetjen.

          Das belegt auch eine aktuelle Umfrage des Technikverbands Bitkom. Demnach sei es für zwei Drittel der deutschen E-Mail-Nutzer nicht vorstellbar, auf ihre elektronische Adresse zu verzichten. Gleichzeitig schreibt eine relative Mehrheit von 43 Prozent heute mehr Mails als noch vor fünf Jahren. Allerdings schicken auch 19 Prozent weniger Mails als noch vor einem halben Jahrzehnt.

          Dementsprechend skeptisch stehen die Deutschen auch den Überlebenschancen der Mail gegenüber. Ein gutes Drittel geht davon aus, dass die E-Mail noch maximal 15 Jahre existieren wird. 16 Prozent sehen das Ende der Mail schon in zehn Jahren kommen, für 3 Prozent dauert es sogar nur noch fünf Jahre, bis andere Kommunikationsformen die Mail ersetzt haben werden. Rund die Hälfte der Befragten geht allerdings davon aus, dass E-Mails auch noch in 15 Jahren weit verbreitet sein werden.

          Michael Rotert, der Empfänger der allerersten Mail in Deutschland, geht indes davon aus, dass selbst in 30 Jahren noch Nachrichten so ankommen, wie er es zum ersten Mal am 3. August 1984 erlebt hat. „Auch wenn der private Mail-Verkehr um rund 4 Prozent im Jahr sinkt, wird es die geschäftliche Korrespondenz dann immer noch geben.“ Ihm selbst ist diese Kommunikationsform jedenfalls in den vergangenen drei Jahrzehnten so in Fleisch und Blut übergangen, dass er sich zwar sehr wohl an die erste hierzulande empfangene Mail erinnert. Seine direkte Antwort darauf liegt dagegen schon im Dunklen. „Es muss wohl eine Art Dankeschön für die erste Mail gewesen sein“, sagt Rotert. „Aber beschwören kann ich es nicht.“

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