Breitbandnetze : Kreditmarktkrise könnte auch Kabelnetzkonzerne treffen
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Kaum ein Wirtschaftszweig in Deutschland ist so fest in den Händen von Finanzinvestoren wie die Kabelnetze. Seit der Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt, haben sie es schwer, neue Kredite zu bekommen.
Die Nachricht klingt alarmierend: Der Netzbetreiber Kabel BW, der im Südwesten der Republik mehr als 2 Millionen Haushalte mit Kabelfernsehen versorgt, ist laut Jahresabschluss 2006 bilanziell überschuldet. Das vom Finanzinvestor EQT kontrollierte Unternehmen hat dies sieben Monate nach Bilanzstichtag quasi im Kleingedruckten mitgeteilt - per Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Bleiben also in Stuttgart, Ulm und Biberach demnächst die Fernsehschirme schwarz? Am Donnerstag ging das Unternehmen aus Heidelberg, bei dem Ex-Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke im Aufsichtsrat sitzt, in die Offensive. "Wir sind weder überschuldet, noch besteht ein Liquiditätsengpass", sagte Gerhard Bickmann, der Finanzchef von Kabel BW, dieser Zeitung.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Alles halb so wild, sagt Bickmann. Zwar habe das Unternehmen Ende 2006 tatsächlich ein negatives Eigenkapital von 90 Millionen Euro ausgewiesen, doch sei dies lediglich auf die bilanzielle Unterbewertung des Vermögens, also vor allem des weitverzweigten Kabelnetzes, zurückzuführen. Der letztlich maßgebliche Verkehrswert sei deutlich höher. Tatsächlich hat der Wirtschaftsprüfer Ernst & Young dem Jahresabschluss von Kabel BW ein uneingeschränktes Testat erteilt, weist allerdings auf Risiken hin. Falls die Geschäfte deutlich schlechter liefen als erwartet, drohe womöglich doch die Insolvenz.
Die „Heuschrecken“ haben viele Milliarden in das Netz investiert
Für Finanzvorstand Thiemann sind solche Anmerkungen nur rechtliche Formalitäten. "Wir rechnen 2007 mit einem Umsatzplus von rund 30 Prozent", sagt er. Trotz höherer Investitionen werde auch der Betriebsgewinn um fast 20 Prozent zulegen. Dass Kabel BW über ausreichend Eigenmittel verfüge, unterstreicht auch der Sprecher des Eigentümers EQT. Der Private-Equity-Investor, der zum Imperium der schwedischen Industriellenfamilie Wallenberg gehört, ist in Deutschland auch anderweitig aktiv. So gehörte EQT der Dieselmotorenbauer Tognum und der Aromenhersteller Symrise. "Was wir bei Kabel BW machen, ist branchenübliches Vorgehen. Wir stellen sicher, dass nicht unnötig viel Eigenkapital im Unternehmen gebunden ist", sagt der EQT-Sprecher.
Ein Schlaglicht auf die Branche wirft das "übliche Vorgehen" dennoch. Es gibt in Deutschland wohl keinen Wirtschaftszweig, der so fest in der Hand von Finanzinvestoren ist. Die in der Öffentlichkeit mitunter als "Heuschrecken" betitelten Beteiligungsfirmen haben in den vergangenen Jahren viele Milliarden in das Kabelnetz investiert, das früher der Deutschen Telekom gehörte und zu den größten auf der Welt zählt. Sie kontrollieren damit eine der wichtigsten Medieninfrastrukturen: Über die Hälfte der deutschen Haushalte empfängt Fernsehen via Kabel.
Die Zinsen für riskante Projekte steigen
Alle drei großen Betreiber des Überlandkabelnetzes - Kabel Deutschland (KDG), Unity Media und Kabel BW - haben heute Eigner aus der Private-Equity-Branche. Die setzen wie in anderen Fällen auch, bei ihrer Finanzierung stark auf Schulden. Nach Berechnungen der Ratingagentur Standard & Poor`s (S&P) saßen KDG und Unity Ende 2006 auf Verbindlichkeiten von zusammen 6,4 Milliarden Euro. Kabel BW hat nach eigenen Angaben Verbindlichkeiten von 1,1 Milliarden Euro. Doch das Marktumfeld für das lange hochprofitable Geschäftsmodell der Beteiligungsfirmen hat sich in den vergangenen Wochen gedreht.
Seit die Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt die Finanzmärkte verunsichert, haben es die die Finanzinvestoren schwer, neue Kredite zu bekommen, die Zinsen für riskante Projekte steigen. In Großbritannien musste diese Woche der Verkauf des Kabelnetzbetreibers Virgin Media gestoppt werden, weil Interessenten aus der Beteiligungsbranche am Kreditmarkt das Geld für den Milliardenkauf nicht mehr zusammenbrachten.
Stetig fließende Kabelfernsehgebühren
Kabel BW sieht sich dennoch auf der sicheren Seite. "Potenzielle Zinsrisiken sind abgesichert", sagt Finanzchef Thiemann. Das Unternehmen habe "auf absehbare Zeit ausreichende Kreditlinien" zur Verfügung. Das Finanzierungspaket für den Kabelbetreiber haben die Royal Bank of Scotland und Morgan Stanley geschnürt. S&P erwartet derweil nicht, dass KDG und Unity von den Finanzmarktwirren erfasst werden. "Wir sehen keine unmittelbaren Auswirkungen", sagt Ratinganalyst Matthias Raab. Die ausstehenden Milliarden-Anleihen der Betreiber müssen großteils erst in einigen Jahren getilgt werden. Zudem sorgen stetig fließenden Kabelfernsehgebühren für einen vergleichsweise stabilen Einnahmenstrom. "Unsere Planung basiert auf einer gesicherten Finanzierung", sagt auch Unity-Finanzchef Christoph Winfrey.
Dennoch haben sich durch die Kreditmarktkrise für die Eigner von KDG, Unity und Kabel BW die Zukunftsaussichten bis auf weiteres eingetrübt. Finanzinvestoren leben davon, Unternehmen nach wenigen Jahren möglichst profitabel weiterzuverkaufen. Bisher hat das im deutschen Mediengeschäft, wie auch in anderen Branchen glänzend funktioniert. Als Käufer traten dabei häufig andere Beteiligungsgesellschaften auf, die hofften, später zusätzlichen Gewinn aus dem Kaufobjekt schlagen zu können. So hat EQT selbst Kabel BW 2006 vom Konkurrenten Blackstone übernommen. Auch die Beteiligungsfirmen Permira und KKR haben der Fernsehkonzern Pro Sieben Sat.1 von einem anderen Investorenkonsortium gekauft.
Rückstand beim Internetzugang
Doch das Beispiel Virgin Media in Großbritannien zeigt: Finanzinvestoren scheiden als Käufer zumindest vorerst aus. Die Preise sind damit verdorben. Auch Börsengänge als Verkaufsoption dürften für die Kabelbetreiber so schnell kaum in Frage kommen. Es fehlt an der "Börsen-Story" - also an ausreichenden Wachstumsperspektiven, um die Aktien den Anlegern schmackhaft zu machen. Die Digitalisierung des Kabelfernsehens und die Nutzung der Netze als schneller Internetzugang bieten zwar Chancen. Doch in beiden Feldern hinken die Kabelriesen hinterher. Unity ist mit dem Bezahlsender Arena gescheitert. Noch am besten entwickelt sich das Geschäft mit den Internetzugängen offenbar bei Kabel BW. Der Rückstand gegenüber dem dominierenden DSL-Internet via Telefonnetz ist dennoch demoralisierend: Gerade mal drei Prozent der deutschen Breitband-Internetzugänge entfielen zuletzt auf das Kabel. Neukunden müssen mit hohen Investitionen in Netztechnik und Marketing erkauft werden. "Das Geschäft der Kabelbetreiber ist riskant", warnt Ratinganalyst Raab von S&P.