Digitalkonferenz DLD : Was darf man noch auf Facebook sagen?
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Maria Ressa, verfolgte philippinische Journalistin. Bild: Picture-Alliance
Hass und Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken vergiften die Demokratie. Abhilfe zu fordern, ist leicht. Aber wer soll entscheiden, was wahr ist?
Guter Rat ist teuer, so viel ist sicher, aber für dieses Problem reicht ganz offenbar nicht mal das Milliardenvermögen der Facebook- und Google-Gründer: Braucht die Welt mehr Kontrolle darüber, was auf Facebook und Twitter, auf Youtube und auf Instagram zu sehen ist?
Das Problem ist klar: Die Brexit-Kampagne in Großbritannien, der Wahlkampf von Donald Trump - sie alle wurden mit einer Menge an falschen Fakten geführt. Ob die falschen Fakten wahlentscheidend waren, ist bis heute umstritten. Die Politische Debatte aber, so viel ist sicher, haben sie nicht vorangebracht.
Wer das Problem vergessen hatte, der konnte es auf der Digitalkonferenz DLD in München noch einmal ganz eindrücklich erleben: Da erzählte die philippinische Journalistin Maria Ressa, eine der Menschen des Jahres 2018 im amerikanischen Time-Magazin, wie sie heftigen Angriffen in den sozialen Medien ausgesetzt war, die in der öffentlichen Meinung den Boden für ihre spätere Verhaftung bereitet hätten.
„Journalisten sind nicht mehr Torwächter der öffentlichen Debatte, diese Rolle ist an die Technologieunternehmen gegangen“, sagte Ressa. „Doch die tun nichts.“ Trump habe gezeigt, wie man das ausnutzt: Erst lögen Politiker, dann bezichtigten sie andere der Lüge, schließlich stehe in Zweifel, dass es Fakten überhaupt gebe - und dann sei die Demokratie beschädigt.
Wie viel Regulierung braucht Meinungsäußerung?
Die Mechanismen sind seit Jahren bekannt. Am häufigsten geteilt werden Hass und Ärger, wie Ressa sagt. MIT-Forscher Sinan Aral fasste den Rest noch einmal kurz zusammen: Mark Zuckerbergs Mentor Sean Parker hat öffentlich gesagt, schon in den frühen Jahren des sozialen Netzwerks hätten die Hormone des Gehirns eine Rolle gespielt; mit seinen „Gefällt mir“-Knöpfen und anderen Details des Designs sei es darauf aus, das Belohnungssystem auszunutzen.
Falschnachrichten bewegten sich besonders schnell und breit durch die sozialen Netzwerke, sagte Aral: Sie lösten besonders oft Ärger aus und seien besonders überraschend; ausgedachte Geschichten hätten da einen Vorteil gegenüber wahren. Besonders schwer zu enttarnen seien Lügen, die mit einem Mantel verifizierbarer Wahrheiten getarnt seien. Daran seien auch Bots beteiligt, sagte Aral, allerdings bezweifeln andere Wissenschaftler, das es Bots überhaupt im großen Maßstab gibt.
Peter Sunde Kolmisoppi hat einst die Webseite „Pirate Bay“ gegründet und wollte sie möglichst unkontrolliert halten, stellte aber fest: „Wenn man selber nicht kontrolliert, hat die Kontrolle jemand anders.“
Doch nach Faktenkontrolle kann man leicht rufen. Schwerer ist schon festzulegen, wer der Herr über die Wahrheit sein soll. Mark Zuckerberg? Soll wirklich Facebook so viel inhaltliche Kontrolle über Wahrheit und Wahlkämpfe an sich reißen? Oder doch die jeweiligen Regierungen in einem Land? Das wünscht man sich auch nicht unbedingt, daran erinnerte Sinan Aral.
Fakten sind oft nicht so eindeutig
Schwieriger wird das ganze dadurch, dass die Faktenlage tatsächlich oft nicht eindeutig ist. Summen kann man so oder so bilden, vielleicht kann man sich noch darauf einigen, dass Großbritannien nicht - wie vor der Brexit-Abstimmung behauptet - 350 Millionen Pfund je Woche an die EU überweist.
Aber heilt Homöopathie Menschen oder nicht? Auf eine gemeinsame Antwort können sich nicht mal die Grünen einigen. Wie viel Prozent von wissenschaftlichen Studien müssen den gleichen Tenor haben, bevor ein Fakt als gesichert gelten kann? Und welche Publikationen werden bei der Auszählung überhaupt berücksichtigt?
Es ist kein Wunder, dass das Textformat des „Faktenchecks“, das bei Medien und Lesern ein paar Jahre lang sehr beliebt war, inzwischen seine populärsten Stunden wieder hinter sich hat.
Was also kann man tun? Was reinen Hass und Gewaltandrohungen angeht, gibt es in vielen Staaten schon eine lange durchdachte Gesetzeslage, die von den Staaten allzu oft nicht durchgesetzt wird. Mit den Fakten ist es schon schwieriger. Noch die konkreteste Idee kam von Sinan Aral: Der Wettbewerb zwischen den sozialen Netzwerken müsse gestärkt werden, nur so gebe es für die einzelnen Firmen einen Anreiz, auf ihr Netzwerk zu achten. Und wo der Wettbewerb groß ist, kann der Nutzer auch leicht das Netzwerk wechseln, wenn ihm die Moderationslinie eines einzelnen Netzwerks nicht gefällt.