29-Euro-Ticket : Berlin lebt den Traum vom billigen Nahverkehr weiter
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Nur für 29 Euro: U-Bahn-Haltestelle am Bahnhof Zoo in Berlin Bild: dpa
Im Gebiet der Bundeshauptstadt kann man künftig für nur 29 Euro im Monat mit Bussen und Bahnen fahren. Das kommt nach dem heißgeliebten 9-Euro-Ticket bei vielen Fahrgästen gut an, ist aber auch umstritten.
Berlin wird als erstes Bundesland ein Nachfolgemodell für das 9-Euro-Ticket im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) einführen. Das gab die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Donnerstag bekannt.
Das Ticket wird 29 Euro im Monat kosten und von Oktober an drei Monate erhältlich sein – allerdings nur im Abonnement und nur für das Berliner Stadtgebiet. Brandenburg bleibt außen vor, obwohl die beiden Bundesländer einem gemeinsamen Verkehrsverbund (VBB) angehören. Allerdings bestehen großen Differenzen über das Projekt, das als Übergangslösung für eine bundesweite Nachfolgeregelung gedacht ist. Nach dem derzeitigen Stand wird sie frühstens im Januar kommen, und noch sind sich Bund und Länder über die Finanzierung alles andere als einig.
Die Differenzen mit Brandenburg versuchte Giffey nach der entscheidenden VBB-Aufsichtsratssitzung am Donnerstag mit versöhnlichen Worten zu überbrücken. „Ich bin Brandenburg sehr dankbar, dass sie es Berlin ermöglichen, diesen Weg in unserem gemeinsamen Verkehrsverbund zu gehen“, sagte sie. In dem Gremium war die Zustimmung des Nachbarlandes notwendig, obwohl die Finanzierung allein von Berlin getragen wird.
Alleingang der Hauptstadt
Bis zuletzt war nicht sicher, ob sich Brandenburg dazu durchringen würde, weil der Alleingang der Hauptstädter dort sehr kritisch gesehen wurde. Für Empörung sorgte vor allem, dass die Brandenburger Kollegen im August erst aus den Medien von den Plänen erfahren haben. Aber auch darüber hinaus gibt es unterschiedliche Auffassungen: Brandenburg gehört zu einer kleinen Gruppe von Ländern, die dem Bund alle Kosten für ein Nachfolgeticket aufbürden wollen; da ist ein Vorpreschen der Hauptstädter in den schwierigen Verhandlungen eher hinderlich.
Die grüne Senatorin für Mobilität, Bettina Jarasch, hatte noch Ende August im Gespräch mit der F.A.Z. eindringlich an den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD) appelliert: Auch die Regierung in Brandenburg müsse geschlossen hinter den Plänen stehen, forderte sie. „Insofern wäre ein Commitment der gesamten Landesregierung in Potsdam nötig, das heißt auch der Staatskanzlei und des Ministerpräsidenten.“
Beim neuen 29-Euro-Ticket stehen vor allem die finanziellen Vorteile für die Kunden im Vordergrund: „Wir entlasten damit Hunderttausende Berlinerinnen und Berliner ganz konkret“, betonte Giffey. Mit 29 Euro ist es nur unwesentlich teurer als das Sozialticket, das es für bedürftige Menschen in der Hauptstadt ohnehin schon gibt. Dass damit auch Menschen entlastet werden, die sich den höheren Preis für ein Umweltticket von rund 86 Euro im Monat leisten könnten, nimmt die Landesregierung bewusst in Kauf. „Es handelt sich um eine Flatrate für alle, aber sie wird in Berlin vor allem von den Menschen angenommen, die sie am dringendsten brauchen“, sagte Jarasch mit Verweis auf VBB-Untersuchungen zum Nutzerverhalten. Ein bezahlbares Ticket sei ein „zielgerichtetes Angebot“ für niedrige und für mittlere Einkommen, das relativ zügig eingeführt werden könne, weil die Strukturen bereits bestehen.
Mehr als 100 Millionen Euro teuer
Das Berliner Entlastungspaket wird nach vorläufigen Schätzungen rund 105 Millionen Euro kosten und dürfte damit den ohnehin schon klammen Haushalt noch zusätzlich belasten. Die Metropole hat im ersten Halbjahr zwar einen Überschuss von rund 2,3 Milliarden Euro erwirtschaftet, aber der Finanzsenator hält diese günstige Situation nicht für eine dauerhafte Entwicklung. Im Länderfinanzausgleich ist die Hauptstadt jedenfalls nach wie vor größter Empfänger von Transferleistungen.
Mit der Entscheidung für ein schnelles Anschlussticket setzt Berlin zugleich ein deutliches Signal für die anstehende Sonderkonferenz der Verkehrsminister am kommenden Montag. Auf dieser Sitzung wollen Bund und Länder erstmals zusammen über die umstrittene Finanzierung für ein bundesweites Deutschlandticket sprechen. Beim letzten Treffen der Verkehrsminister blieb Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit der Begründung außen vor, die Länder wollten sich zunächst einmal auf eine eigene Linie verständigen. Dies ist damals allerdings nicht gelungen: Während der Großteil der Länder Gesprächsbereitschaft in der Frage zeigt, verweigern Länder wie Brandenburg und Bayern eine finanzielle Beteiligung vollständig.
Seither ist allerdings weiter Bewegung in das Thema gekommen. Im dritten Entlastungspaket hat die Bundesregierung erstmals konkrete Summen genannt: 1,5 Milliarden Euro will der Bund beisteuern, um ein bundesweites digitales Ticket zu ermöglichen – allerdings nur unter der Bedingung, dass die Länder mindestens 1,5 Milliarden Euro dazugeben. Sind diese dazu bereit, könnte von Januar an ein Nachfolgeticket zwischen 49 und 69 Euro im Monat eingeführt werden, heißt es in dem Papier der Ampelregierung. Der konkrete Betrag, der für die Attraktivität des Angebots von entscheidender Bedeutung ist, hängt damit von der Beteiligung der Länder ab. Unter ihnen stößt das auf wenig Gegenliebe. Gut möglich, dass Berlin deshalb eine Vermittlerrolle zukommt. „Ich mache mich jetzt an die nächste große Aufgabe“, sagte Jarasch, „mit dem Bund und den anderen Ländern ein dauerhaftes bezahlbares Nachfolgeticket zu verhandeln.“