Nach langem Ringen : Durchbruch zum Lieferkettengesetz
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Teeernte in Indien Bild: dpa
Die Bundesregierung will größere Unternehmen in Deutschland stärker in die Verantwortung für ihre Zulieferer nehmen. Das erfuhr die F.A.Z. aus Regierungskreisen.
Die Einigung zum Lieferkettengesetz steht. Das verlautete am Freitagvormittag aus Regierungskreisen. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dringen seit langem vehement auf eine Haftung der deutschen Unternehmen für Missstände bei ihren Zulieferern – und zwar über die gesamte Lieferkette. Die Gesetzgebung verzögerte sich, weil sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gegen die damit verbundenen Risiken für die hiesigen Unternehmen wehrte.
Vorgesehen ist, dass die Neuregelung Anfang 2023 in Kraft tritt. Zunächst werden alle Unternehmen eingezogen, die 3000 Mitarbeiter in Deutschland haben, ein Jahr später soll diese Schwelle auf 1000 Beschäftigte sinken. Damit hätten die meisten Betriebe drei Jahre Zeit, sich darauf vorzubereiten, heißt es.
Wie die F.A.Z. aus gut informierten Regierungskreisen weiter erfahren hat, findet sich zur Haftung keine Textpassage im geplanten Gesetzentwurf. Die Befürworter einer solchen Regelung verweisen nun auf das Bürgerliche Gesetzbuch, das dies schon vorsehe. Diese Haftungsvorschrift werde nun verstärkt, indem beispielsweise Hilfsorganisationen die Möglichkeit erhielten, die Rechte von Näherinnen oder Kakaobauern aus dem Ausland in Deutschland zu vertreten.
„Das Gesetz bekommt Zähne“
Gesetzlich soll nun noch vor der Bundestagswahl definiert werden, dass die Lieferkette von der Rohstoffproduktion bis zum Endprodukt reicht. Aber die Sorgfaltspflicht der hiesigen Unternehmen wird weniger weit gefasst. Sie betrifft zunächst das eigene Unternehmen und den ersten direkten Zulieferern. Bei ihnen muss das Management die Zustände in den Blick nehmen. Pflichten bei weiter vorgelagerten Lieferanten entstehen nur, wenn dem deutschen Unternehmen Erkenntnisse vorliegen, dass dort etwas nicht in Ordnung ist. Dann müsste es diesen Hinweisen nachgehen, heißt es in Berlin. Es gebe in diesen Fällen eine mittelbare Verantwortung.
Konkret geht es vor allem Sozialstandards wie Arbeitsbedingungen, Sicherheit und Gesundheit. Umweltstandards sollen nur indirekt berücksichtigt werden, beispielsweise wenn ihre Verletzung Folgen für die Gesundheit der Menschen im Betrieb oder in der Umgebung hat. Ein Beispiel wäre die Einleitung giftiger Chemikalien in Gewässer, die unmittelbar die Trinkwasserversorgung gefährdet. Das Abholzen etwa des Regenwaldes würde dem Vernehmen nach nicht erfasst.
In einem regierungsinternen Papier, das der F.A.Z. vorliegt, heißt es: „Das Gesetz bekommt Zähne. Wir gewährleisten seine effektive Durchsetzung durch eine starke Kontrollbehörde, die Unternehmen auf die Finger schaut mit Vor-Ort-Kontrollen in Unternehmen und Bußgeldern bei Verstößen – aber auch mit substanziellen Unterstützungsangeboten.“ Unternehmen, gegen die aufgrund von Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht ein Bußgeld verhängt wird, sollen demnach bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.