Merkel verteidigt Klimapaket : „Politik ist das, was möglich ist“
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Zufrieden mit ihrem Klimapaket: Bundeskanzlerin Merkel (CDU), Vizekanzler und Finanzminister Scholz (SPD) am Freitag in Berlin Bild: EPA
Nach der Koalitionseinigung auf eine Klimastrategie verteidigt Angela Merkel das Paket – und lobt ausdrücklich das Engagement Greta Thunbergs und der Klima-Aktivisten auf den Straßen. Umweltverbände und die Opposition zeigen sich hingegen enttäuscht.
Mit den Beschlüssen zu einem umfangreichen Klimapaket hat die große Koalition nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Grundlagen für das Erreichen der Klimaziele bis 2030 gelegt. Sie sei überzeugt, „dass wir die Ziele erreichen und dass wir dafür die Grundlagen dafür gelegt haben“, sagte Merkel am Freitag nach einer Sitzung des Klimakabinetts in Berlin. Bei ihren Beschlüssen hätten sich die Koalitionsspitzen von der Frage leiten lassen: „Wie kann man aus einem gut gemeinten Ziel eine gut gemachte Zielerfüllung machen?“
Merkel hob insbesondere zwei Instrumente hervor, auf die sich die Koalition in gut 19-stündigen Verhandlungen geeinigt hat: Die Bepreisung des Ausstoßes von CO2 und die Einführung eines Mechanismus, mit dem die Umsetzung der Klimaziele jährlich überprüft wird. Auf den Ausstoß des Treibhausgases CO2 solle künftig ein Preis erhoben werden, „weil wir glauben, dass Innovation so gefördert wird“, sagte die Kanzlerin. Dafür soll – nach einer Anlaufphase – ein Zertifikatesystem etabliert werden. Von der CO2-Bepreisung solle ein „Signal“ ausgehen, um technologische Innovation zu fördern, sagte Merkel.
Als zweites Instrument hob die Kanzlerin den geplanten Kontroll-Mechanismus hervor. Mit Recht seien aus der Tatsache, dass die Regierung ihre Klimaziele einer Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht erreichen werde, Konsequenzen eingefordert worden, sagte die Kanzlerin mit Blick auf die Proteste der jungen Klima-Aktivisten. Sie könne die Zweifel jener Kritiker nachvollziehen, die nicht glaubten, dass die Regierung ihr Ziel einer Reduzierung von klimaschädlichen Gasen um 55 Prozent bis 2030 erreiche. Aus diesem Grund werde das Klimakabinett seine Arbeit nicht beenden, sondern jährlich unterstützt durch einen Expertenrat das Erreichen der Ziele überprüfen. Anschließend werde sehr zeitnah entschieden, wie nachgesteuert und was besser gemacht werden müsse. Merkel nannte diesen Mechanismus eine Art Garantie dafür, „Schritt für Schritt die Ziele dann zu erreichen“. Ziel der Koalition sei es dabei gewesen, „unseren Kindern und Enkelkindern ein zukunftsfrohes Leben zu hinterlassen“.
Bis 2030 müssen die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent gegenüber 1990 sinken, von aktuell 866 Millionen auf 563 Millionen Tonnen jährlich. Derzeit reißt die Bundesrepublik eigene und auf EU-Ebene verpflichtende Ziele, es drohen hohe Strafzahlungen.
Das Klimapaket der Koalition

Zertifikatehandel
• Einstiegspreis: 10 Euro je Tonne CO2
• Anstieg des Preises auf 35 Euro bis 2025
• Ab 2025 Preisbildung über Handel
• Mit den Zertifikaten müssen nicht die Endkunden handeln, sondern die Unternehmen, die fossile Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen oder liefern.
Fossile Brennstoffe werden teurer
• Diesel und Heizöl jeweils + 11 Cent je Liter
• Benzin + 10 Cent je Liter
• Erdgas + 1 Cent je Kilowattstunde
Entlastungen
• Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets
• Staatliche Förderung beim Austausch alter Ölheizungen mit bis zu 40 Prozent
• Senkung der EEG-Umlage auf den Strompreis
Weitere Maßnahmen
• Verbot neuer Ölheizungen ab 2026
Finanzierung
• Keine neuen Schulden
• Keine Klimaanleihe
„Massive wissenschaftliche Belege für den Klimawandel“
Merkel würdigte ausdrücklich das Engagement der Aktivisten. Die „vielen jungen Leute“ forderten „mit Recht ein, dass wir etwas dafür tun, dass auch sie gute Lebenschancen haben“, sagte Merkel. Mit ausdrücklichem Lob bedachte die Kanzlerin die 16-jährige schwedische Klima-Aktivistin Greta Thunberg: „Wenn mich etwas beeindruckt, dann ist das, wenn Greta Thunberg sagt: ,Unite behind the Science'“ – zu deutsch also: „Versammelt Euch hinter der Wissenschaft“. Schließlich gebe es „massive" wissenschaftliche Belege für den Klimawandel, sagte Merkel. „Es ist nicht so, dass wir hier irgendetwas Ideologisches machen, sondern wir machen etwas, wofür es massive Evidenzen gibt“, sagte sie. „Wer diese wissenschaftlichen Meinungen ignoriert und sagt: ,Wir werden schon irgendwie durchkommen', der handelt nicht zukunftsgerecht.“ Merkel gestand aber ein, dass die Entscheidung über die Klimaschutzmaßnahmen lange gedauert hätten. „Das unterscheidet Politik von Wissenschaft und auch von ungeduldigen jungen Menschen“, sagte sie. „Politik ist das, was möglich ist.“