Nach der Bundestagswahl : Muss einer der mächtigsten Entscheider Europas gehen?
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Wolfgang Schäuble ist vor einer Woche 75 Jahre alt geworden. Bild: dpa
Wolfgang Schäuble ist der wichtigste Minister der Kanzlerin. Kaum ein Politiker bestimmte den Kurs Deutschlands und Europas seit Ausbruch der Finanzkrise so stark wie er. Was wird nun aus ihm?
Er ist einer der wichtigsten Entscheider der Währungsunion. Das liegt an seiner Position und an seiner Person. Formal ist Wolfgang Schäuble einer von 18 Finanzministern der Euroländer, in den entsprechenden Gremien dieser Gruppe hat er eine Stimme wie alle anderen auch – doch tatsächlich haben seine Meinung und Worte mehr Gewicht als die seiner Kollegen. Sie machen international schnell die Runde. Das liegt an der Erfahrung und Souveränität des deutschen Kassenwartes – und wohl auch daran, dass er länger als alle anderen dabei ist.

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Kein Deutscher gehörte länger dem Bundestag an als er. Seinen Wahlkreis hat er nun abermals direkt gewonnen. Vor einer Woche wurde Schäuble 75 Jahre alt – und wirkt aufgeräumt, interessiert und eingebunden wie stets. Obwohl er im Rollstuhl sitzt und die Chance, dass er überhaupt so lange derart durchhalten würde, zum Zeitpunkt des Attentates auf ihn statistisch gering war.
Finanzminister ist wichtiger
Nach dem nun ergangenen Votum stellt sich einmal mehr die Frage, was aus Angela Merkels wichtigstem Minister werden wird, der gelegentlich als „Schattenkanzler“ bezeichnet wird. Der ein Ressort leitet, das eben nicht nur die deutschen Staatsfinanzen organisiert, sondern auch den Kurs der Bundesrepublik in Europa und auf der ganzen Welt (Stichwort G 20) maßgeblich mitprägt. Kann Merkel das mächtige Finanzministerium trotz des historisch schwachen Abschneidens ihrer Partei für die CDU beanspruchen in einer künftigen Regierung? Und zumal in einer Koalition, die vielleicht gleich aus vier Parteien (CDU, CSU, FDP, Grüne) besteht und die alle für sich bedeutende Posten verlangen werden?
Mit Blick auf die zurückliegenden zehn Jahre ist ziemlich offenkundig, dass das Finanzministerium an Bedeutung gewonnen hat, der Außenminister hingegen zurückstehen musste. Wird also beispielsweise die FDP so, wie sie das oft getan hat, nach dem Außenministerium greifen – oder gerade nach der Westerwelle-Erfahrung nicht doch den Kassenwart stellen wollen?
„Eine Koalition zu bilden wird extrem schwierig“, sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski dem Finanzsender CNBC. „Wenn Schäuble wirklich nicht länger Finanzminister wäre, würde das ein Wendepunkt für die gesamte Währungsunion. Ein Auszug von einem der Hauptcharaktere der gesamten Euro-Krise markiert klarerweise das Ende eines historischen Kapitels.“
Die Zukunft von Wolfgang Schäuble sei „die Frage“ aus der Perspektive der Märkte, sagte Carsten Nickel vom Beratungsunternehmen Teneo Intelligence. „Am Ende gibt es wahrscheinlich wenig Alternative zu Schäuble jetzt gerade, denke ich, wenigstens wenn es um individuelle Personen geht. Es gibt niemanden, der wirklich als eine Schlüsselperson in Betracht käme, ihm diese Rolle streitig zu machen.“
Schäuble hat dabei nicht nur den Euro einst mit auf den Weg gebracht. Er handelte als Innenminister des verstorbenen Kanzlers Helmut Kohl die deutsche Wiedervereinigung mit aus, er war CDU-Parteivorsitzender, Unionsfraktionschef im Bundestag und Kanzleramtsminister. Unter Angela Merkel war Schäuble zunächst abermals Bundesinnenminister, im Jahr 2009 wurde dann Chef des Finanzressorts.
Seither ist er dabei auch an allen Entscheidungen über die Spar- und Reformauflagen für Euroländer in Schwierigkeiten mitverantwortlich. In Deutschland erreichte er als erster Finanzminister seit Jahrzehnten einen ausgeglichenen Staatshaushalt – und das nun schon mehrere Jahre in Folge.