Nach dem Google-Urteil : Wie man die Lügen der Ex loswird
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Informationsfinder: Startseiten verschiedener Suchmaschinen Bild: dpa
Nach dem Google-Urteil können Internetnutzer Links aus Suchmaschinenergebnissen löschen lassen. Online-Reputationsmanager Christian Scherg erläutert, welche Verweise man am ehesten loswerden sollte und was das für die Auffindbarkeit von Informationen bedeutet.
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Dienstag können Menschen nun von Suchmaschinenanbietern wie Google, Yahoo oder Bing verlangen, Links zu bestimmten Inhalten aus deren Ergebnislisten entfernen zu lassen. Welche Verweise kämen Ihrer Meinung nach dafür in Betracht?
Ich würde Einträge angehen, die deutlich in der Vergangenheit liegen und die nicht mehr den aktuellen Lebensumständen entsprechen, die sich aber gleichzeitig negativ auf die aktuelle Lebenssituation auswirken könnten. Zum Beispiel Verweise auf Partybilder, die einem unangenehm sind, oder politische Statements, hinter denen man heute nicht mehr steht. Wenn sich persönliche Lebensumstände oder Auffassungen geändert haben, stimmen solche Inhalte nicht mehr mit dem Bild überein, das ein Mensch aktuell darstellt.
Was ändert das Urteil am Rufmanagement im Internet?
Nehmen wir als Beispiel eine Privatpersonen, deren Ex-Freundin über das Internet Unwahrheiten verbreitet. Vor dem Urteil gab es die Situation, dass diese Person an die unwahren Inhalte rangehen musste, um sie auf der Seite des Inhalteanbieters richtigzustellen oder löschen zu lassen. Jetzt kann man die Verweise auf die Inhalte aus dem Netz löschen lassen. Der Inhalt auf Blogs oder Foren oder auch journalistischen Angeboten ist aber noch da. Das ist auch ein Problem: Wenn die Rufschädigung beispielsweise in einem stark frequentierten Forum stattfindet, das eine Suchmaschine aber nicht mehr in ihren Ergebnislisten aufführen darf, ist dieses zwar nicht mehr in Google gelistet, aber jeder, der in diesem Forum ist, kann die negativen Inhalte noch sehen und der Ruf wird dort weiterhin massiv geschädigt. Möglicherweise ohne dass der Betroffene davon Kenntnis hat. Das bedeutet, dass jedes Forum, jeder Blog, wenn er einmal zu einem Namen aus dem Index entfernt worden ist, separat gemonitort werden müsste, um Veränderungen mitzubekommen.
Was bedeutet eine Löschung für Inhalte, in denen zum Beispiel mehrere Personen auftauchen, aber bei denen nur eine den Antrag auf Löschung stellt?
Aktuell ist es zum Beispiel bei Google so: Entweder ist der Link im Index der Suchmaschine oder eben nicht. Im Extremfall könnte eine Löschung also dazu führen, dass eine Beschwerde eines Einzelnen darüber bestimmt, ob Inhalte im Internet überhaupt auffindbar sind. Wenn ich mich mit Erfolg gegen den Verweis auf eine Seite mit Fotos von einer ausgelassenen Geburtstagsparty wehren würde, würde diese Internetseite aktuell ganz aus dem Suchindex verschwinden – und damit auch nicht mehr für die Leute zu finden sein, die vielleicht gar nichts gegen die Fotos haben. Suchmaschinen sind wie ein Bibliothekskatalog: Die Bücher gibt es dann immer noch, sie stehen aber nicht mehr im Katalog, so dass Interessenten durch die ganze Bibliothek laufen oder einfach Glück haben müssten, um sie zu finden. Im Extremfall könnte eine Situation eintreten, in denen viele Inhalte plötzlich nur noch unter der Wasseroberfläche sind, und nur die Spitze des Eisbergs noch auffindbar ist.
Im Falle von Privatpersonen ist das doch nicht unbedingt schlecht?
Ich weiß nicht, ob das im Sinne der Meinungsfreiheit ist, wenn jemand in der Lage ist, sämtliche Verweise auf missliebige Kritik zu löschen. Stellen Sie sich den Umkehrschluss vor, dass jemand alles löschen kann, was mit seiner Person verbunden war. Stellen Sie sich vor, ein Geschäftsführer eines Unternehmens kann jeden Verweis auf kritische Berichterstattung und Usermeinungen zu sich und wenn er namentlich genannt ist, auch zu seinem Unternehmen und seinen Produkten oder seiner Dienstleistung löschen. Diese Internetseiten würden komplett aus dem Suchindex verschwinden – und damit auch nicht mehr für die Leute zu finden sein, die geschädigt sind oder sich über unlautere Geschäftsmethoden informieren wollen. Das Internet verliert somit seine wichtige Funktion eines Frühwarnsystems, dass Verbraucher vor Betrügern und schwarzen Schafen schützt. Ich bin kein Freund von maximaler Transparenz, aber ich finde ehrlich gesagt, in der heutigen Zeit entbindet das eben auch nicht von der Aufgabe, dass man einerseits mit berechtigter Kritik im Internet umgeht und andererseits Inhalte für ein positives Onlineprofil schafft. Das Entscheidende ist, dass ich mich aktuell gut positioniere und darstelle.
Insofern ist es doch gut, wenn das Internet vergisst, so wie es jetzt überall heißt?
Je nachdem, wie man das Urteil des Gerichtshof interpretiert, ist das vielleicht der entscheidende Punkt: dass es jetzt ein Verfallsdatum für Informationen gibt. In extremen Fällen ist das gut, nehmen Sie zum Beispiel einen Kriminellen, der seine Strafe verbüßt hat. Der hat ein Recht darauf, ein neues Leben anzufangen, ohne das ihm ein digitales Schild umhängt, auf dem zu jeder Zeit sein Vergehen steht. Auch in anderen Fällen, in denen es nicht um Personen von öffentlichem Interesse geht, ist das Urteil ein guter Schritt, etwa wenn es um Cybermobbing geht. Allerdings ist die Rechtsprechung nur das eine. Das andere ist, was aus all dem folgt. Und welche Folgen das Urteil dann tatsächlich für das Spannungsfeld zwischen dem Schutz der persönlichen Privatsphäre und der Presse- und Meinungsfreiheit hat, muss sich erst noch zeigen.
Zur Person
Christian Scherg führt die Geschäfte der Revolvermänner GmbH. Das Unternehmen kümmert sich im Auftrag von Privat- und Geschäftskunden um deren Ruf im Internet. 2011 veröffentlichte Scherg das Buch „Rufmord im Internet – So können sich Firmen, Institutionen und Privatpersonen wehren“.