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Verteilungsgerechtigkeit : Wer zahlt für Corona?

  • -Aktualisiert am

Die Elbphilharmonie: In der Krise stellt sich auch die Frage, wer für ausgefallene Konzerte aufkommt. Bild: dpa

In jeder schicksalhaften Krise verwirklicht sich auch ein allgemeines Risiko, das weder Vertragspartner noch Sozialstaat voll übernehmen können. Doch wer zahlt dann? Ein Gastbeitrag.

          10 Min.

          Die Corona-Pandemie hat in Deutschland und weltweit wirtschaftliche Verluste ungeahnten Ausmaßes ausgelöst. Was sich auf der Ebene des Gesamtstaats als außergewöhnlich starker und messbarer Einbruch im Bruttosozialprodukt vollzieht, nimmt in der Mikroperspektive ganz unterschiedliche Formen an. Ein Konzert darf nicht stattfinden – und Musiker, Veranstalter, Saalvermieter und Konzertfreunde stehen im Regen. Eine Lieferkette für Kfz-Teile wird unterbrochen – und Produzenten, Autohäuser und Endkunden streiten sich über das Ausbleiben des neuen Modells. Ein Modegeschäft muss in den umsatzträchtigen Frühlingsmonaten schließen – und die Inhaberin weiß nicht mehr, wie sie ihre Angestellten, Vermieter und Lieferanten bezahlen soll. Stets wirft die Pandemie drei systematisch zusammenhängende Fragen auf: Müssen Individuen und Unternehmen ihre coronabedingten Verluste in erster Linie selbst tragen? Können die unmittelbar Betroffenen diese finanziellen Lasten auf ihre privaten Vertragspartner abwälzen? Und gibt es gute Gründe, die Gesamtheit der Steuerzahler oder andere Einrichtungen kollektiver Risikoübernahme – wie die Sozialversicherungsträger – für die eingetretenen Nachteile zur Kasse zu bitten?

          Gesetzgeber und Verwaltungen haben in den vergangenen Monaten vielfältige praktische Antworten auf diese Fragen gegeben. Die Palette der Maßnahmen reicht von staatlichen Zuschüssen und Darlehen über die Stundung von Steuerforderungen oder die Ausweitung des Kurzarbeitergelds bis hin zu vorläufigen Zahlungserleichterungen und Bestandsschutzsicherungen im Mietrecht, Insolvenzrecht oder Gesellschaftsrecht. Große Unternehmen erhielten staatliche Kredite und Beteiligungen, Selbständige beantragten Zuschüsse zu den Betriebskosten, Wohnungsmietern wurde eine Kündigungssperre gewährt und für Kapitalgesellschaften die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt. Man wird befriedigt festhalten können, dass es in Deutschland bisher weitgehend gelungen ist, Wirtschaft und Gesellschaft vor dem Absturz zu bewahren. Offengeblieben ist jedoch die systematische Grundfrage nach der gerechten Zuordnung der Corona-Risiken in unserer staatlich verfassten Gemeinschaft.

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