Migrationsforscher im Gespräch : „Die meisten Menschen wollen unbequeme Fakten nicht hören“
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Woran liegt es dann, dass Muslime in nahezu allen Industriestaaten häufiger arbeitslos sind als andere Gruppen?
Erstens haben die Sprachkenntnisse einen starken Einfluss. Unsere Studie zeigt: Wer über gute Sprachkenntnisse verfügt und überwiegend deutsche Medien konsumiert, hat bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Das ist eine Sache, die liegt ganz klar bei den Migranten. Der zweite Faktor sind interethnische Kontakte. Migranten der ersten, aber teilweise auch noch der zweiten Generation sind im Zielland fremd. Die besten Kenntnisse über den Arbeitsmarkt – wo gibt es die besten Jobs, wie bewirbt man sich? – haben die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft. Deshalb haben übergreifende Kontakte entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsmarktchancen.
Und Muslime bleiben eher unter sich?
Ja, diese soziale Segregation unter Muslimen ist hoch, auch im Vergleich zu allen anderen Migrantengruppen. Da brauchen Sie sich häufig nur die Wohnsituation anzuschauen.
Sie führen das auf kulturelle und religiöse Unterschiede zurück?
Für einen konservativen Muslim sind schon zwischengeschlechtliche Kontakte außerhalb der Familie ein Problem. Am Beispiel von Holland kann man auch sehen, dass interethnische Beziehungen keine Frage von Rasse und Herkunft sind. Es gibt viele Paare, von denen ein Teil aus Surinam oder von den Antillen kommt. Aber unter Muslimen sind solche Mischehen, wie in allen anderen europäischen Ländern, eher selten. Wobei man aber dazusagen muss, dass es auch umgekehrt eine Art sozialer Diskriminierung geben dürfte, da nicht jeder auch den Kontakt zu Muslimen haben will.
Seit den Anschlägen in Paris und Brüssel stellt sich die Frage, wie die Parallelgesellschaft im Brüsseler Viertel Molenbeek als Brutstätte des Terrorismus entstehen konnte. Wie erklären Sie das?
Meine vorherige Untersuchung hat gezeigt, dass das Niveau von Fanatismus unter Muslimen in Belgien deutlich höher ist als etwa in Deutschland. Auch bei fremdenfeindlichen Einstellungen gegenüber Juden und dem Westen hatte Belgien den höchsten Wert aller sechs untersuchten Länder. Dass da etwas richtig schiefgelaufen ist, ging aus der Studie schon hervor. Das wurde von ein paar Politikern in Belgien auch aufgegriffen, allerdings nur vom rechten Rand des politischen Spektrums, und damit sind die Argumente in den Augen vieler gleich wieder delegitimiert. Das ist leider mein Los.
Dabei waren sie früher bei den niederländischen Grünen.
Ich halte mich immer noch für einen Linken, der seine Forschungsergebnisse präsentiert. Aber die meisten Menschen wollen unbequeme Fakten nicht hören.
Wird das Thema unter Kollegen totgeschwiegen?
Das wäre vielleicht zu viel gesagt, aber man erfährt schon eine gewisse Ablehnung. Das ist aber in Deutschland weniger der Fall als in Belgien, Großbritannien oder den Niederlanden. Ich bekomme dann über Dritte zu hören, dass meine Arbeit Wasser auf die Mühlen von Rassisten und Rechtspopulisten sei.
Der englische Titel Ihrer Studie lautet „Does Assimilation Work?“ Wie lautet Ihre Antwort?
Aus den genannten Gründen ganz eindeutig ja. Wer assimiliert ist, ist seltener arbeitslos und nimmt häufiger am Arbeitsmarkt teil. Wobei es da auch noch einiger Forschung bedarf. Es kann zum Beispiel sein, dass assimilierte Muslime zwar genauso oft arbeiten wie Personen aus der Mehrheitsgesellschaft, aber in schlechteren Jobs unterhalb ihrer Qualifikation. Das würde auch die Diskriminierung bei den Bewerbungen erklären.