Virales Marketing : Der Musikfan verdient mit
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Kämpft um seine Leinenhose: Sänger der Kaiser Chiefs im Konzert Bild: Matthias Lüdecke
Die Rockband The Kaiser Chiefs beteiligt ihr Publikum am Geschäft: Auf ihrer Homepage können sich die Fans ihre neusten Lieder zu einem Album zusammenstellen und herunterladen. Vermarkten sie dieses im Internet weiter, verdienen sie an den Einnahmen mit.
Die Idee wurde in einer südenglischen Imbissbude geboren. Bei frittiertem Fisch und Pommes redeten sich Ricky Wilson, Sänger der britischen Rockband The Kaiser Chiefs und sein Freund Oli Beale, der für eine Werbeagentur arbeitet, die Köpfe heiß. Am Ende beschlossen sie, die Musikindustrie neu zu erfinden – oder es zumindest zu versuchen. Seit Freitag läuft ihr Experiment.

Redakteur in der Wirtschaft der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
„The Future is Medieval“, das neue Album der Kaiser Chiefs, gibt es vorerst nicht auf CD und auch nicht bei Onlinemusikshops wie iTunes zu kaufen, sondern nur auf der Homepage der Band. Neu daran ist: Die Fans sollen selbst Plattenfirma spielen. Sie entscheiden, welche Lieder auf das Album kommen, gestalten das Cover, vermarkten es im Internet über soziale Netzwerke wie Facebook – und sie verdienen an den Einnahmen mit.
Belohnung statt Strafandrohung
20 Lieder stehen auf der Homepage der Kaiser Chiefs zum Probehören bereit. Jeder kann zehn davon auswählen und zu seinem individuellen digitalen Album zusammenstellen. Das kostet 7,50 Pfund, rund 8,50 Euro. Im nächsten Schritt wird online ein persönliches Cover entworfen. Jeder Interessent bekommt eine eigene Homepage mit Abrechnungssystem, über die das selbst gebastelte Album vertrieben wird. Auch diese Downloads kosten 7,50 Pfund und für jedes verkaufte Album erhält der zum Musikmanager umfunktionierte Fan ein Pfund ausbezahlt. „Damit kriegen die Leute einen größeren Anteil als die Musiker“, sagte der Werbefachmann Beale der amerikanischen Wirtschaftszeitung „Wall Street Journal“.
Die Band setzt auf eine Methode, die in der Werbebranche virales Marketing genannt wird. Diese Mund-zu-Mund-Propaganda im Internet wird nicht nur in der Musikindustrie immer wichtiger und die Kaiser Chiefs versuchen, sie durch finanzielle Anreize anzuheizen. Je fleißiger und ideenreicher die Fans ihre Album-Version via Facebook und Twitter anpreisen, umso mehr verdienen sie.
Mit im Boot ist auch die weltgrößte Plattenfirma Universal Music, die normalerweise die Kaiser Chiefs vertreibt. Universal und andere Labels suchen seit langem nach Wegen, die Gratiskultur im Internet zu überlisten. Die hat in den vergangenen zehn Jahren 40 Prozent des globalen Tonträgermarkts ausradiert und ebenso lange fordert die Branche von der Politik, mit neuen Gesetzen ihre Urheberrechte besser zu schützen.
Das Experiment der Kaiser Chiefs versucht es nun mit Belohnung statt mit Strafandrohung. Wenn die Fans die Chance bekommen, an der Musik mitzuverdienen – so die Hoffnung – werden sie auch eher bereit sein, selbst dafür zu bezahlen. „Ich glaube nicht, dass wir damit irgendjemand zum Millionär machen werden“, sagt der Musiker Wilson. „Aber wir zeigen damit, dass die Industrie die Fans einbinden kann.“