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Klimawandel : Abschied vom Ozonloch

Wo ist eigentlich das Ozonloch hin? Bild: dpa

Vor 25 Jahren zitterten Mensch und Wirtschaft vor der Zerstörung der Ozonschicht. Heute ist das Ozonloch aus den Köpfen der Menschen dem Klimawandel gewichen - die Katastrophe ist ausgeblieben. Wie konnte das gelingen?

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          In wenigen Wochen ist es so weit, dann wird die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) ihren neuen Bericht über die Ozonlochproblematik vorlegen. Fast 300 Forscher aus aller Welt haben an dem rund 500 Seiten starken Report mitgearbeitet, der bis zum 16. September unter Verschluss gehalten wird. „Er wird keine großen Überraschungen enthalten“, sagt Martin Dameris, einer der Hauptautoren. Und dann sagt der Geophysiker des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Erstaunliches: „Das von Menschen gemachte FCKW-Problem ist gelöst, diese Gefahr ist definitiv gebannt.“ Behalten die Forscher recht, dann ist das Ozonloch im Jahr 2050 Geschichte – vielleicht auch schon ein paar Jahre früher.

          Johannes Pennekamp
          Verantwortlicher Redakteur für Wirtschaftsberichterstattung.

          Was sich für die Wissenschaftler seit Jahren abzeichnet, ist die verblüffende Geschichte einer ausgebliebenen Katastrophe. Galt das Ozonloch nicht einmal als eine der größten Gefahren für Mensch und Landwirtschaft?

          Rückblick in das Jahr 1992. Der deutsche Umweltminister heißt Klaus Töpfer, kurz vor dem Jahreswechsel veröffentlicht das Ministerium des CDU-Politikers Umfrageergebnisse, die typisch sind für diese Zeit: „Das Ozonloch und eine globale Klimaveränderung“ bereiten den Bundesbürgern die größten Umweltsorgen. Die Zeitungen sind voll von Warnungen, in der F.A.Z. heißt es: „Die Angst vor Hautkrebs, Augenleiden und Missernten geht um.“ Und das Washingtoner Worldwatch Institute rechnet wegen der erhöhten Hautkrebsgefahr auf der ganzen Welt in den kommenden 50 Jahren gar „mit Millionen von zusätzlichen Toten“. Die befürchtete höhere UV-Einstrahlung gilt zudem als wirtschaftliches Risiko. „Wir haben damit gerechnet, dass auch die Ernten leiden können. Das alles hatte bei uns natürlich eine enorm hohe Priorität“, erinnert sich Wolfgang Plehn, der im Umweltbundesamt damals wie heute für das Thema verantwortlich ist.

          Die Katastrophe ist ausgeblieben, über das Ozonloch spricht heute kaum noch jemand. War also alles nur Panikmache? Sicher klingt manche Warnung heute übertrieben. Aber die Gefahren waren sehr real, sagen die Forscher. Die Menschheit habe in letzter Minute beherzt eingegriffen, wie Plehn es formuliert: „Das ist eine Erfolgsgeschichte internationaler Zusammenarbeit.“ Verglichen mit den vergeblichen Bemühungen, ein für alle Staaten verbindliches Klimaschutzabkommen zu beschließen, erscheint der Kampf gegen die Zerstörung der Ozonschicht tatsächlich wie eine Meisterleistung.

          Ein (Nasa-) Bild aus schlechteren Zeiten: Die lilafarbene Fläche zeigt das Ozonloch über der Antarktis im September 2006
          Ein (Nasa-) Bild aus schlechteren Zeiten: Die lilafarbene Fläche zeigt das Ozonloch über der Antarktis im September 2006 : Bild: AP

          Wer verstehen will, wie sie gelingen konnte, muss bis ins Jahr 1974 zurückblicken. In dem Wissenschaftsmagazin „Nature“ veröffentlichten die Chemiker Frank Sherwood Rowland und Mario Molina einen Artikel, den das Nobelpreiskomitee später als „bahnbrechend“ würdigen sollte. Der Amerikaner und der Mexikaner zeigten, dass Fluorchlorkohlenwasserstoffe, kurz FCKW, die Ozonschicht bedrohen. Ozonmoleküle wirken in der Atmosphäre wie ein Schutzschild vor übermäßiger UV-Einstrahlung. Doch FCKW, das unter anderem in Kühlschränken, Spraydosen und Schaumstoffen zu finden war und sehr langlebig ist, kann das Schutzschild aufbrechen. Zuerst war diese gefährliche Wirkung in der Atmosphäre nur Theorie. Die Gewissheit folgte 1985, als Wissenschaftler das Ozonloch über der Antarktis entdeckten. Farbige Bilder gingen um die Welt: die Erde von oben – mit einem riesigen blauen Bereich, in dem das Ozon völlig verschwunden war.

          Erste Hinweise auf das Ozonloch

          Plötzlich herrschte Alarm. Und das Wissen von Forschern wie Gert König-Langlo wurde dringend gebraucht. Der Meteorologe des Alfred Wegener Instituts (Bremerhaven) leitet seit 1989 die Neumayer-Polarstation in der Antarktis, dort hat er auch schon überwintert. „Als in den achtziger Jahren die Ozonwerte in den Messungen zurückgingen, glaubten die damaligen Forscher an Messfehler, sie veröffentlichten die Daten nicht mehr“, sagt der Forscher. Tatsächlich waren das die ersten Hinweise auf das Ozonloch. Regelmäßig lassen König-Langlo und seine Kollegen nun in der Polarregion Ballone mit angehängten Messinstrumenten in die Luft steigen. „In den neunziger Jahren hat sich die Situation weiter verschlechtert“, beobachtete der Wissenschaftler. Im September und Oktober sei die Ozonschicht regelmäßig quasi völlig verschwunden. In diesen Monaten wirken Kälte und Licht auf besondere Art zusammen, das Ozonloch wächst etwa auf die Größe der Antarktis – lange war die Tendenz steigend. „Dieser Prozess scheint beendet, in den vergangenen sechs Jahren ist die Ozonkonzentration wieder gestiegen“, hat der Forscher beobachtet. Noch seien die Zeitreihen zu kurz, um tatsächlich von einer „Trendumkehr in den harten Daten“ zu sprechen, sagen König-Langlo und sein Kollege Martin Dameris – doch alles deute auf einen Heilungsprozess hin. Die wahrscheinlichste Ursache: Die Menschen haben in kurzer Zeit aufgehört, in großem Stil FCKW in die Luft zu blasen. Die Gase, die noch in der Luft sind, bauen sich nach und nach ab.

          Und das ist das Bemerkenswerteste: Nur zwei Jahre nachdem das Ozonloch entdeckt wurde, verständigten sich 46 Staaten auf einen verbindlichen, schrittweisen Verzicht von FCKW und anderen ozonschädigenden Gasen. Inzwischen haben sich nahezu alle Staaten angeschlossen, es gelangt kaum noch FCKW in die Atmosphäre. Mit dem Montreal-Protokoll, das 1989 in Kraft getreten ist, schaffte die Staatengemeinschaft das, worum sie bei der Begrenzung des CO2-Ausstoßes seit Jahren ohne durchschlagenden Erfolg ringt.

          Ozonlochgefahr war konkreter als der Klimawandel

          Aber warum ist damals gelungen, was heute kaum noch möglich scheint? Die Ozonlochgefahr war konkreter als der Klimawandel. Die Menschen hätten einen Schreck bekommen und es habe das Gefühl geherrscht, man müsse etwas tun, sagt Geophysiker Dameris, der 1989 in das eilig geschaffene Ozonforschungsprogramm des Bundesforschungsministeriums berufen wurde. Dass FCKW mit überschaubaren Kosten durch andere Stoffe zu ersetzen war, erleichterte das Vorhaben. Von CO2 ist die Menschheit hingegen sehr viel abhängiger. Der amerikanische Klimaökonom Steven Stoft sieht den Unterschied zu heutigen Klimaschutzverhandlungen darin, dass das Montreal-Protokoll den Staaten Anreize zur Kooperation gab, zum Beispiel wurden ärmeren Staaten Kompensationen für ihre Bemühungen in Aussicht gestellt. Heutige Verhandlungen „ignorieren Anreize zur Kooperation“, kritisiert Stoft. Für die Naturwissenschaftler ist der Kampf gegen FCKW mehr oder weniger Vergangenheit, schon der letzte WMO-Bericht vor vier Jahren fiel positiv aus. Nun erforschen sie, wie sich der Klimawandel auf die Ozonschicht auswirkt.

          Fragt man die Leute auf der Straße heute danach, was eigentlich aus dem Ozonloch geworden ist, zucken die meisten mit den Schultern, sagen die Forscher. Sie ärgern sich darüber, dass die „Erfolgsgeschichte“ nicht in den Köpfen angekommen ist. Immer würde nur über negative Entwicklungen berichtet. „Dabei ist das Montreal-Protokoll ein traumhaft positives Beispiel dafür, dass umweltgerechtes Verhalten zu Veränderungen führt“, sagt König-Langlo. Doch beim Klimawandel würden die Menschen trotzdem denken: Da kann man doch sowieso nichts machen.

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