Sal. Oppenheim-Prozess : Das Vertrauen der Madeleine Schickedanz
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Madeleine Schickedanz Bild: dpa
Madeleine Schickedanz ist die wohl prominenteste Zeugin im Prozess um den Niedergang der Sal. Oppenheim. Über Jahre hinweg hat die Quelle-Erbin der Bank blind vertraut - und dadurch viel verloren.
Die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker muss zweimal bitten: „Zeugin Schickedanz bitte auf Saal 210.“ Madeleine Schickedanz, die wohl prominenteste Zeugin in dem Strafprozess rund um den Niedergang der Kölner Traditionsbank Sal. Oppenheim, kommt mit leichter Verspätung. Die Blazer-Hosen-Kombination in dunklem Anthrazit-braun lässt die zierliche blonde Frau blass und zerbrechlich erscheinen. Artig bezeichnet sie ihren Berufstand als Hausfrau, nennt ihr Geburtsdatum und ihren Herkunftsort.
Für gewöhnlich meidet die öffentlichkeitsscheue 70-Jährige den Auftritt vor großem Publikum und wartenden Kameras. An diesem sonnigen Morgen kann sie sich dem nicht entziehen. Vor der 16. Großen Strafkammer des Kölner Landgerichts geht es um diverse Darlehen in Millionenhöhe, die das Kölner Bankhaus Oppenheim der früheren Milliardärin gewährt hat. Damals war sie Hauptaktionärin des Essener Kaufhauskonzerns Karstadt, der im Herbst 2008 noch unter dem Namen Arcandor in eine bedrohliche finanzielle Schieflage geriet und im Sommer 2009 schließlich in die Insolvenz ging.
Es gab „langes Anfangszögern“
Es geht um Betriebsmittelkredite, komplexe Fragen rund um Risiko, Haftung und Darlehenssicherheiten, um Schriftverkehre, Aktienverkäufe, um Unterschriften und Paraphen. Um den Versuch, mehr Licht in die im Rückblick unheilvolle Verbindung der Quelle-Erbin mit ihrer früheren Hausbank und dem der Bank nahestehenden Vermögensverwalter Josef Esch zu bringen.
In dem schmucklosen Raum mit dem Charme der späten 1970er, frühen 1980er Jahre beginnt sie zunächst noch recht flüssig mit der Schilderung der ersten Kontakte mit Esch. Sie spricht leise, mit leicht zittriger Stimme, ein wenig larmoyant. Im Jahr 2002 muss das gewesen sein, in ihrem Haus in St. Moritz, erinnert sie. Übermäßig begeistert war sie von den handelnden Personen und deren Vorschlägen zunächst offenbar nicht, wie in Köln anklingt. Es gab „langes Anfangszögern“.
Die 1943 in einem Luftschutzbunker der Nürnberger Frauenklinik geborene einzige Tochter der Quelle-Gründer Grete und Gustav Schickedanz hat sich nie um unternehmerische Angelegenheiten gekümmert. Nach zwei Semestern Betriebswirtschaft brach sie ihr Studium ab und heiratete in jungem Alter ihren ersten Mann, den späteren Quelle-Manager Hans-Georg Mangold. Heute ist sie in dritter Ehe mit Leo Herl verheiratet, der seinerzeit im Arcandor-Aufsichtsrat saß und demnächst ebenfalls in den Zeugenstand treten soll.
Mit geschäftlichen Dingen wollte sie nie Näheres zu tun haben
Für die einst zu den reichsten Frauen Deutschlands zählende Mutter von vier Kindern stand über viele Jahre die Sorge um ihre leukämiekranke Tochter Caroline im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit. So gründete sie auch die Madeleine Schickedanz Kinderkrebs-Stiftung. Mit geschäftlichen Dingen wollte sie nie Näheres zu tun haben. Auch im Zeugenstand sagt sie von sich selbst, all die Vorgänge rund um ihren größten Vermögenswert am Ende gar nicht mehr überblickt zu haben.
An viele konkrete Unterlagen, an so manche Daten und Details kann sie sich auch auf Nachhaken der Richterin nicht mehr erinnern. Einige ihr vorgelegte Dokumente hat sie unterschrieben oder paraphiert, ohne sie im Detail gelesen zu haben. „Ich weiß es nicht mehr“, „Ich kann mich nicht erinnern“, sind Sätze, die an diesem Morgen wiederholt fallen.
Kaum vorstellbar, dass jemand wirklich so naiv und blauäugig dreistellige Millionenbeträge in ein marodes Unternehmen wie den Essener Handelskonzern pumpen konnte. Aber sie hat über Jahre hinweg der Kölner Traditionsbank und all ihren Beratern fast blind vertraut, wie sie selbst einräumt. Von Josef Esch über Matthias Graf von Krockow bis Thomas Middelhoff. „Solange du den Josef hast, passiert dir nichts“, sagte man ihr, um sie nach eigenem Bekunden in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen.
Schadensersatz in Höhe von 1,9 Milliarden Euro
Viel später, beispielsweise in filmreifen Szenen auf Rollfeldern, wo sie im Flugzeug Unterschriften zur Rettung von Arcondor und wohl auch der längst unter Beobachtung der Bafin stehenden Kölner Privatbank leisten sollte, fühlte sie sich bedrängt und unter „wahnsinnigem Druck“. Sehr gut erinnern kann sie sich an Aussprüche von Esch, die ihre dramatische Situation umschrieben: „Du hast schon lange kein eigenes Kopfkissen mehr.“ Wie schlecht bestellt es um sie nach dem Arcandor-Niedergang war, hat sie selbst einst in einem fast legendären „Bild“-Zeitungs-Interview geschildert.
Die unglückliche Aussage, sie müsse von 600 (in einem Lapsus fügt sie das Wort Millionen hinzu) Euro leben, habe sie so nie aber gemacht. Da seien Dinge verdreht worden, sagt sie heute. Die zurückgezogen bei Fürth lebende einstige Milliardärin, die mit der Arcandor-Pleite immenses Vermögen, darunter Villen in St. Moritz, Spanien oder am Tegernsee, verloren hat, will Schadensersatz von ihrer früheren Hausbank. In einem ebenfalls in Köln geführten Zivilprozess fordert sie die Summe von 1,9 Milliarden Euro.
Sie wirft dem ehemaligen Führungsquartett und Esch vor, sie falsch beraten zu haben, ihr Milliardenvermögen riskant angelegt und dadurch vernichtet zu haben. Man sei doch eine Familie, sei sie bei ihren Einsätzen wiederholt vertröstet worden. Heute schenkt sie den im Gerichtssaal anwesenden Beklagten nicht einmal mehr einen Blick.