Neuer Rekord : Deutschland hat so viele Vereine wie nie zuvor
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Traditionsreich: die Pfadfinder gehören zu den ältesten Vereinen in Deutschland Bild: Bischof
Eine neue Studie zeigt: Die Zahl der Vereine, Genossenschaften und Stiftungen wächst. Mittlerweile gibt es siebenmal so viele wie vor fünfzig Jahren. Von einer Krise des Ehrenamtes könne nicht die Rede sein.
Treffen sich drei Deutsche, gründen sie einen Verein. Das Bonmot unterschlägt zwar, dass es nach dem Vereinsrecht mindestens sieben Mitglieder bedarf, um ins amtliche Register eingetragen zu werden. Aber das ändert nichts am Wahrheitsgehalt: Im Kern ist und bleibt der Deutsche ein Vereinsmeier. Fast 220 Jahre nachdem das Allgemeine Preußische Landrecht den Bürgern erstmals Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit zugestand, blüht das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland wie nie: „580.000 Vereine sind registriert, siebenmal so viele wie vor 50 Jahren“, sagt Holger Krimmer vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Und es werden immer mehr.
Zusammen mit der Bertelsmann- und der Thyssen-Stiftung untersucht Krimmer seit Jahren das Innenleben der deutsche Zivilgesellschaft. Nach ihren Berechnungen gehen im „dritten Sektor“ der Wirtschaft 105.000 Unternehmen gemeinnützigen Tätigkeiten nach, erwirtschafteten damit im Jahre 2007 eine Bruttowertschöpfung von 90 Milliarden Euro (4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) und stellten 2,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Hinzu kommen 300.000 in 400-Euro-Jobs Tätige.
Starker Zuwachs führt zu mehr Bedarf
Mit ihrem jüngsten „Zivi-Survey“ haben die Forscher erstmals die gesamte Zivilgesellschaft unter die Lupe genommen, also auch jene Gruppierungen, die nicht im engeren Sinne wirtschaftlich tätig sind. Die Forscher haben neben den Daten des Statistischen Bundesamtes die Vereinsregister von 280 Amtsgerichten durchforstet, Gründungszahlen von Stiftungen ausgewertet, die von gemeinnützigen GmbHs (gGmbH) und Genossenschaften erhoben. Am Ende waren es nach den noch unveröffentlichten Zahlen 616.154 Organisationen, vom Sport- über den Förderverein für die Grundschule bis zur freiwilligen Feuerwehr. Genau gesagt sind es 580.294 Vereine, 17.352 Stiftungen, 10.006 GmbHs und 8502 Genossenschaften, in denen 23 Millionen Mitglieder mal mehr, mal weniger aktiv sind. Der Name der Erhebung ist sein Programm: Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ).
Das starke Wachstum hält Krimmer auch für den wesentlichen Grund dafür, dass vier von zehn Vereinen Probleme hätten, Vorstandsposten und Aufsichtsfunktionen zu besetzen. Die These von der „Ehrenamtskrise“ lasse sich damit aber nicht bestätigen: „Es gibt in Deutschland weniger Probleme, Ehrenamtliche zu mobilisieren, als erwartet.“ Mit dem starken Zuwachs der Vereine sei eben auch der Bedarf an Leuten gestiegen, die bereit seien, Verantwortung zu tragen. „Der häufig beklagte Mangel von Ehrenamtlichen ist daher eine Begleiterscheinung des Wachstums zivilgesellschaftlicher Strukturen.“
Es gibt auch andere Befunde. So hat Eckhard Priller vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) kürzlich vor dem Bundestagsunterausschuss „Bürgerliches Engagement“ berichtet, 80 Prozent der Vereine hätten Probleme mit der Mitgliedergewinnung und 85 Prozent damit, Vorstände zu rekrutieren. Krimmer vom Stifterverband führt das darauf zurück, dass die Stichprobe des WZB kleiner und anders zusammengesetzt gewesen sei.
Bestätigt fühlt er sich durch die Ergebnisse einer letztjährigen Befragung durch TNS Infratest. Bei diesem „Freiwilligensurvey“ im Auftrag des Familienministeriums war herausgekommen, dass der Anteil derjenigen, die zu einem Ehrenamt bereit wären, im Jahrzehnt von 1999 bis 2009 um die Hälfte auf 37 Prozent gestiegen war. Aktiver wird die Gruppe der über 60 Jährigen. Das Engagement der Jugendlichen ging zwar von 37 auf 35 Prozent zurück, doch bleiben sie die aktivste Altersgruppe. Krimmer macht für diesen Rückgang auch Veränderungen in Schule und Studium verantwortlich. Verkürzte Schulzeiten (G8) und die stärkere Verschulung des Studiums (Bologna) ließen jungen Menschen weniger Zeit.