Zum Tod von Helmut Schmidt : Wirtschaftskanzler, Gipfelstürmer, Währungsreformer
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Helmut Schmidt (1918-2015) Bild: AFP
Mit seinem so kühnen wie zuweilen kühlen Auftreten hat sich Helmut Schmidt Respekt verschafft. Doch das allein hat den Politiker nicht ausgemacht.
Die Effizienz, die das Kanzleramt unter seiner Führung erreichte, ist legendär. Knapper Problemaufriss, was spricht für eine Entscheidung, was dagegen, Lösungsvorschlag. Alles möglichst auf einer Seite. Wie der Herr, so das Gescherr. Helmut Schmidt sprach auf den Punkt, kurz, prägnant und, wenn es sein musste, auch verletzend. „Schmidt-Schnauze“ eben, eine Zuschreibung, die ihm zeitlebens anhaftete. Mit seinem so kühnen wie zuweilen kühlen Auftreten hat er sich Respekt verschafft. Doch das allein hat den Politiker nicht ausgemacht, denn so kann man vielleicht Wahlen gewinnen, nicht aber die Herzen der Deutschen.

Wirtschaftskorrespondent in Berlin.
Seine Tatkraft und sein Organisationsgeschick fielen spätestens im Frühjahr 1962 erstmals auf, als der junge Hamburger als Innensenator die Rettungsaktionen in der großen Sturmflut steuerte. Als politischer Macher erwies er sich in der ersten großen Koalition. Als SPD-Fraktionsvorsitzender sorgte er mit seinem Gegenüber in der Unionsfraktion Rainer Barzel dafür, dass das Geschäft lief, obwohl das Verhältnis von Kanzler und Vizekanzler zunehmend schlechter wurde. Wie Schmidt später einmal berichtete, redeten Kurt Georg Kiesinger und Willy Brandt zum Schluss kaum noch miteinander. In der sich anschließenden sozial-liberalen Koalition wurde der „desillusionierte, durch den Dreck des Krieges getriebene Studienratssohn“, wie ihn sein Parteifreund Peter Glotz einmal beschrieb, Verteidigungsminister, ein Amt, das am Anfang des Endes vieler politischer Karrieren stand.
Nicht so bei Schmidt. Nach dem Rücktritt Karl Schillers wurde der Volkswirt Mitte 1972 neuer Superminister, er war damit für die beiden gewichtigen Ressorts Wirtschaft und Finanzen gleichzeitig zuständig. Seine Prioritäten beschrieb der Sozialdemokrat folgendermaßen: „Ich lehne es ab, Stabilität oder Wirtschaftswachstum in einem höheren Rang zu sehen als Vollbeschäftigung.“ Und für alle, denen das nicht deutlich genug war, schob er nach: „Mir scheint, dass das deutsche Volk – zugespitzt – 5 Prozent Preisanstieg eher vertragen kann als 5 Prozent Arbeitslosigkeit. Schon 3 Prozent Arbeitslosigkeit würden für die Bundesrepublik unerträglich sein.“
Aus diesen Worten sprach viel Zeitgeist. Die Ökonomen diskutierten damals intensiv über die „Phillipskurve“, die auf einen negativen Zusammenhang zwischen Inflation und Erwerbslosigkeit deutete. Erst später, als die Geldentwertung stieg und die Arbeitslosigkeit mit ihr, erkannte man, dass es nicht so einfach ist, über eine höhere Inflation die Beschäftigung zu steigern. Denn die Gewerkschaften unterlagen eben nicht der behaupteten „Geldillusion“, sondern wollten die Geldentwertung in der nächsten Tarifrunde berücksichtigt wissen. Doch sollte man sich von dem einen Zitat nicht täuschen lassen. Schmidt hatte durchaus Stabilitätsbewusstsein, wie eine andere Aussage von ihm aus dieser Zeit zeigt: „Absoluter Vorrang gebührt heute der Preisstabilität – dies gilt für uns alle. Die Inflation hat unsere Welt wie eine Seuche überzogen.“
Schmidt und das „magische“ Viereck
Im zweiten Kabinett Brandt gab Schmidt dann die Zuständigkeit für die Wirtschaft ab, nahm aber die wichtige Abteilung Kredit und Kapital ins Finanzministerium mit. Von diesem Schlag sollte sich das amputierte Wirtschaftsressort, das unter Ludwig Erhard zu den wirkungsmächtigsten und stolzesten in Bonn gehört hatte, nie wieder richtig erholen.