Frauenquote : Lauter verlorene Männer
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Frauen an die Macht: Wahlplakat der SPD von 1919 Bild: Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Wirtschaft will weiblich werden. Wie wild befördern die Konzerne Frauen. Auf der Strecke bleibt eine Männergeneration, doch flüchten ist keine Option.
So schnell dreht der Wind. Galten bislang die Kriterien „weiblich, ledig, jung“ als Nachteil bei der Karriereplanung, ist nun das Gegenteil der Fall: Bewerberinnen haben erstmals in der Geschichte einen Gender-Bonus bei der Jobsuche. Ist es doch peinlich, wenn es keine Frau an der Spitze zu präsentieren gibt.
Die Attribute „Männlich, talentiert, jung“ avancieren zum Karrierekiller, denn die Konzerne machen Ernst. Egal ob Auto, Chemie, Banken: die Führung wird weiblich, fast überall. „Bringt mir bloß eine Frau“, tönt es durchs Land. Jüngstes Beispiel: Die Lufthansa beruft eine Frau als Finanzchefin. Ein knallhartes Ressort, keine Frühstücksdirektorin.
Was Alphamädchen und Frauenförderer beglückt, bremst eine Generation junger Männer aus: die zwischen Anfang 30 und 45. Plötzlich muss alles blitzschnell gehen. Schneller als überhaupt möglich, wie Daimler-Chef Dieter Zetsche kritisiert. Sein Dilemma: „Wohin soll ich all die Männer aussortieren? Alle zwangsweise in Rente schicken, damit genug Stellen frei werden?“ Nein, die alten Herren müssen um ihre Posten nicht bangen. Ausbaden müssen die jahrzehntelang praktizierte Men-Only-Mentalität die Neueinsteiger. „Im Zweifel für die Frau“, lautet das oberste Gebot der Personalpolitik, mag es offiziell auch heißen: „Im Zweifel nur nach Qualifikation.“
Nüchterner Denker, kein Jammerlappen
Tatsache ist: Will ein Unternehmen seinen Frauenanteil im Turbotempo verdoppeln, betrifft das fast alle Stellen, die in nächster Zeit zu besetzen sind. So haben die Dax-Konzerne den Beweis zu erbringen, dass sie es ernst meinen mit den Quoten, die sie sich freiwillig gegeben haben. Um eine gesetzliche Quote aus Berlin oder Brüssel zu verhindern, befördern sie Frauen, wo es geht. Das bringt die Herren auf die Palme, auch ausgeglichene. Solche wie Michael Panten (Name geändert). Ein nüchterner Denker, kein Karrierist, wie er betont, und kein Jammerlappen. „Interessant“ nennt der Betriebswirt seine Lage bei der Telekom. „Ätzend“, würden andere vielleicht sagen. Die Telekom preschte vor zwei Jahren vor und verordnete sich als erster Dax-Konzern bis 2015 eine Quote von 30 Prozent (hierzulande derzeit 12,5). Seine Chefs seien alle Frauen, meldet Panten. Bei mancher fragt sich der 40-Jährige: Wie um alles in der Welt kam sie auf die Position?
Ähnlich düpiert fühlen sich Alphamänner quer durch die Industrie: Wie rutscht man bitte schön von einem mittleren Posten in der Rechtsabteilung auf den Chefsessel für Mergers & Acquisitions? Was zeichnet die neue Vorgesetzte im Bereich Forschung & Entwicklung aus? Warum müssen alle, die sonst aufsteigen, einige Jahre in Asien abbuckeln, nur bei Frauen macht man eine Ausnahme?
„Bunter“ nennen die Personaler die Lebensläufe der Frauen dann, „mit Brüchen“, „weniger spezialisiert, dafür breiter aufgestellt“, auf gar keinen Fall aber schlechter als die Männer. Die sehen das anders. „Vielen Neu-Chefinnen fehlt die Branchenkenntnis, die sie nach ihrem Lebenslauf haben müssten“, behauptet Telekom-Mann Panten.
Daimler: Jede dritte Stelle an eine Frau
Erstmals stehen Personalberater vor dem Problem, qualifizierte Männer unterzubringen: „Die Zeiten sind schlecht für sie. Und es wird schlimmer“, bestätigt Headhunter Andreas Halin. „Männer können sich das leicht ausrechnen: Meinen die Unternehmen die Quoten ernst, können sie in den kommenden fünf Jahren kaum noch Männer im Management befördern.“ Mit einer einzelnen Frau als Aushängeschild ist es nicht getan. So lässt sich zwar die Quote in einem vierköpfigen Vorstand auf 25 Prozent erhöhen. Aber knapp darunter fehlt der weibliche Nachwuchs. Zwei Stufen unterhalb des Vorstands treten sich in der Regel 85 bis 90 Prozent Männer auf die Füße. Sie alle hoffen, einen der raren Plätze weiter oben zu ergattern. Doch wie viele dieser begehrten Top-Stellen werden im Jahr frei? Und die Anreize in den Dax-Konzernen sind eindeutig: Will ein Manager seinen Jahresbonus aufbessern, so hat er Frauen zu befördern - Diversity-Komponente nennt sich dieser Ansporn. Autobauer Daimler diktiert klipp und klar: Jede dritte Stelle geht „im Schnitt“ an eine Frau. Eine Benachteiligung der Männer sei das nicht: „Es können noch zwei Drittel der Stellen mit Männern besetzt werden.“