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IT-Beauftragter : Flüchtlinge überfordern die Computer des Staates

Flüchtlinge warten in Erfurt auf ihre Registrierung. Bild: dpa

Der neue IT-Beauftragte der Bundesregierung hat viel zu tun: Der Zustrom an Asylbewerbern legt die Missstände in den IT-Systemen des Staates offen. Die sollen so schnell wie möglich abgestellt werden.

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          Die Flüchtlingskrise soll zum Katalysator werden, den politischen Handlungsdruck erhöhen: Der Zwang, die hohe Zahl der nach Deutschland geströmten Flüchtlinge endlich schnell und effizient zu erfassen, das ist die erste große Herausforderung für den neuen „Chief Information Officer“, also den IT-Beauftragten der Bundesregierung, Klaus Vitt. „Im Informationsaustausch gibt es zwischen den Behörden einige Defizite, zu viele Daten werden getrennt voneinander mehrfach erhoben“, sagt Vitt, der sein Amt am 1. Oktober angetreten hat, im Gespräch mit dieser Zeitung.

          Carsten Knop
          Herausgeber.

          Vitt will das ändern, so schnell wie möglich. Und der 63 Jahre alte Mathematiker und Informatiker, beamteter Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, hofft auf entsprechende Haushaltsmittel, um diese Aufgabe umsetzen zu können: „Wir brauchen eine schnelle Lösung, die auf den bestehenden Anwendungen aufsetzt“, so seine Strategie. Zur Programmierung von Grund auf neuer Software fehle die Zeit. „Was wir brauchen, ist ein neues Kerndatensystem, mit dem wir es schaffen, dass die Daten eines Asylbewerbers bis hin zum Fingerabdruck nur einmal erfasst werden müssen und nicht an mehreren Stellen“, sagt Vitt.

          Jüngst hatte Vitts Kollege aus Nordrhein-Westfalen beklagt, dass bei der Flüchtlingsregistrierung die Daten oft händisch von einer Excel-Tabelle in eine andere übertragen worden seien. Der Grund: Die verschiedenen Systeme der Länder und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seien nicht kompatibel gewesen. Vitts Optimismus, zur Bewerkstelligung dieser Aufgabe entsprechende Gelder schnell bewilligt zu bekommen, speist sich allerdings nicht nur aus dem politischen Handlungsdruck, schnell zu Lösungen in der Flüchtlingsfrage zu kommen. Er stützt sich auch auf die Annahme, mit dem Argument überzeugen zu können, dass die Konsolidierung der unterschiedlichen Rechenzentren nicht nur effizient ist, sondern langfristig auch Geld spart: „Wir müssen unsere Rechenzentren standardisieren“, sagt Vitt. Der Effekt, dass dadurch auch Anwendungen zusammengeführt werden, stellt sich damit gleichsam nebenbei ein.

          „Das können wir wirklich schaffen“

          Auch in der IT-Industrie und von den entsprechenden Branchenvertretern wird die Flüchtlingskrise in dieser Hinsicht vor allem als Chance gesehen, dass Investitionen in die Informationstechnologie von Behörden in den Augen von Politikern endlich wichtiger werden. „Bisher wurden IT-Projekte im öffentlichen Bereich zur Profilierung von Politikern eher als ungeeignet erachtet“, sagt Karl-Heinz Streibich, der Vorstandsvorsitzende der Darmstädter Software AG, im gemeinschaftlichen Gespräch mit Vitt. Das könne sich angesichts des Flüchtlingszustroms nun ändern: „Wenn das jetzt richtig gemacht wird, könnte es ein Segen für Deutschland sein. Das können wir wirklich schaffen“, ist Streibich überzeugt - und spielt damit auf die entsprechende Formulierung der Bundeskanzlerin an.

          Im Fall Estlands, dem europäischen Musterland in Sachen öffentlicher Informationstechnologie, sei das nicht anders gewesen: „Das Land stand nach dem Zerfall der Sowjetunion unter einem unglaublichen Handlungsdruck die eigene Unabhängigkeit zu organisieren - und sah keine andere Option, als in eine möglichst effiziente Behörden-IT zu investieren“, sagt Streibich.

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