Ein Besuch beim Aldi-Gründer : Karl Albrecht: „Ich habe Glück gehabt“
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Die Eheleute Albrecht 1997 vor der Fassade einer Filiale. Sie waren insgesamt 67 Jahre verheiratet. Bild: Privat
Karl Albrecht, der Mitbegründer von Aldi, der mächtigste deutsche Einzelhändler, ist gestorben. Er war der Verschwiegenste, ein geheimnisvoller Außenseiter, der Antityp eines Machtmenschen. Und doch der Erfolgreichste von allen. Kurz vor seinem Tod wollte er erstmals mit einem Journalisten reden.
Es war vor wenigen Wochen. Es war einer der ganz seltenen Besuche, die Karl Albrecht zuließ, der Mitbegründer des Aldi-Imperiums, der letzte große Nachkriegspatriarch. Und der verschwiegenste von allen. Nie ist er in den vergangenen Jahrzehnten öffentlich aufgetreten, nie hat er ein Interview gegeben, nicht einmal aktuelle Fotos gab es von ihm, dem mächtigsten deutschen Einzelhändler, der sein Leben in eine beispiellose Erfolgsgeschichte verwandelt hatte.
Er saß wie so häufig an seinem Schreibtisch, ein schmächtiger älterer Herr, weißes Haar, freundliche Züge, wache Augen. Kaum trat der Gast ein, erhob sich Albrecht von seinem Stuhl, was ihm in diesen Tagen nicht leicht fiel, er war schließlich 94 Jahre alt. Seine Tochter geleitete ihn zur Gehhilfe und dann reichte er dem Besucher die Hand: „Guten Tag, hatten Sie eine angenehme Reise?“ fragte er, höflich mit leiser Stimme. Und lächelte, fast wirkte es schüchtern. Er führte hinüber in einen prachtvollen Raum seines großzügigen Hauses im Essener Stadtteil Bredeney – dort wo diejenigen wohnen, die es im Leben ganz nach oben geschafft haben.
Ein kleiner Holztisch war gedeckt, Meissener Porzellan und in der Mitte eine angeschnittene Mandeltorte, ausnahmsweise nicht von Aldi, sondern von der Konditorin um die Ecke. An den Wänden Kunst, sorgfältig arrangiert, eine Auswahl Expressionisten, leuchtende Farben: Otto Müller, Christian Rohlfs und die Russin Marianne von Werefkin. Auf dem Boden ein riesiger Teppich, Persien. Die Decke mit quadratischer Balkenstruktur gab dem Raum fürstliche Aura. Vor dem großen Fenster ein kurz gemähter Rasen, alle paar Meter ein hoher Pfosten mit Scheinwerfer und Kamera – dahinter die Aussicht über das bewaldete Hügelland des Essener Südens in der Nähe des Baldeney Sees.
Irgendwo hinter den Hängen lag die Villa Hügel, das mondäne Anwesen der Krupp-Dynastie. Unterschiedlicher kann sich Macht kaum gerieren. Dort drüben die monströse Behausung des extrovertierten Stahlbarons, der seinen Palast gebaut hatte, als er weitaus weniger Umsatz machte als der Aldi-Gründer. Und hier ein verstecktes Gelände, bei dem kaum jemand wusste, wer dort eigentlich wohnte. Als Karl Albrecht, der Handelstycoon, vor knapp 60 Jahren an diesen Hang zog, war er der Außenseiter, der Neureiche, der Emporkömmling aus der Krämerwelt. Den die feine Gesellschaft erst einmal schnitt.
Alles hätte man erwartet, alles außer dieser Persönlichkeit. Deutschland hatte seine Krupps, Abs und Quandts, Patriarchen der ersten Reihe, die ihre Furchen unübersehbar durch die Gesellschaft zogen. Doch anders als bei den markigen Gründergestalten drang es Karl Albrecht nicht danach, seinen Geschäftserfolg, seine unzweifelhafte Macht, auch noch lautstark und unübersehbar zu manifestieren.