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Tinder-Chef : Der Kuppler

In Denkerpose: Sean Rad Bild: Getty

Sean Rad hat die Dating-App Tinder erfunden und die Partnersuche revolutioniert. Ein Sex-Skandal brachte ihn zu Fall. Jetzt ist er wieder obenauf – und Tinder an der Börse.

          6 Min.

          Sean Rad ist erst 29 Jahre alt, aber ihm haben schon etliche Babys ihre Existenz zu verdanken. Damit prahlt der Mitgründer und Vorstandsvorsitzende der amerikanischen Partnervermittlung Tinder jedenfalls selbst. Vor ein paar Wochen sprach er auf einer Konferenz von den „vielen Tinder-Babys“, die seine Smartphone-App schon ermöglicht habe. Es war wieder einmal ein Versuch, gegen das Vorurteil anzukämpfen, bei Tinder gehe es in erster Linie um schnellen Sex ohne Konsequenzen.

          Roland Lindner
          Wirtschaftskorrespondent in New York.

          Rad will Tinder stattdessen als einen Ort für Romantik und ernsthafte Partnerschaften verstanden wissen, spätere Familiengründung inklusive. Er verwies auf eine interne Umfrage, wonach 80 Prozent aller Tinder-Nutzer an einer langfristigen Beziehung interessiert seien. Die verbleibende Minderheit sei auf Freundschaften aus oder, naja, eben auch mal auf Sex. „Sehr kurze Freundschaften“ nannte Rad Letzteres.

          Ob Sex-App oder nicht: Tinder hat das Geschäft mit der Partnersuche im Internet revolutioniert. Mit einem simplen und radikalen Konzept ist Tinder so populär geworden, dass es in manchen Städten wie New York kaum noch junge Singles gibt, die den Dienst nicht nutzen. Tinder beschränkt sich weitgehend auf Äußerlichkeiten und zielt darauf ab, seinen Mitgliedern in kürzester Zeit eine Flut von Gesichtern vor die Nase zu setzen. Die Auswahl unter all diesen potentiellen Partnern wird mit einer mittlerweile berühmt gewordenen Wischgeste getroffen: Ein Wisch nach links mustert Kandidaten aus, ein Wisch nach rechts signalisiert Interesse. All das macht Tinder schnell, unkompliziert und unverbindlich.

          Für Sean Rad ist Tinder nach einigen mehr oder weniger geglückten unternehmerischen Gehversuchen zum großen Wurf geworden. Die Erfolgsgeschichte war allerdings schon früh mit einem Makel behaftet: Rad musste zeitweise den Vorstandsvorsitz abgeben, nachdem Tinder in den Strudel einer juristischen Auseinandersetzung um sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geraten war. Aber heute ist der Gründer wieder obenauf. Jetzt will er auch die Wall Street erobern.

          Kein streberhafter Nerd

          Die Muttergesellschaft Match Group, zu der neben Tinder noch andere Partnervermittlungsdienste wie Match.com oder OK Cupid gehören, ist in dieser Woche an die Börse gegangen. In dem Dating-Konglomerat ist Tinder der Aufsteiger, der die Kursphantasien anheizen soll. Zum Einstieg kostete die Aktie mit 12 Dollar je Stück allerdings nicht ganz so viel wie erwartet. Der Marktwert der Match-Gruppe liegt nun bei 2,9 Milliarden Dollar.

          Tinder unterscheidet sich nicht nur deshalb von vielen anderen Startup-Unternehmen, weil es Teil eines größeren Konzerns ist – die Match-Gruppe gehört auch nach dem Börsengang noch mehrheitlich dem New Yorker Internetunternehmen IAC Interactive. Die Dating-App hat ihre Zentrale außerdem auch fernab vom Silicon Valley, am schicken Sunset Boulevard in Los Angeles. Und Sean Rad, ihr Gründer, entspricht nicht dem landläufigen Klischee vom streberhaften Internet-Nerd, das der Facebook-Vorstandsvorsitzende Mark Zuckerberg wie kein Zweiter verkörpert. Rad wirkt vielmehr wie jemand, der seine Zeit lieber auf Partys verbringt als vor dem Computer und der schon immer zu den coolen Leuten gehört hat, mit denen jeder gerne befreundet wäre. Er zieht sich modisch-lässig an, bisweilen mit weit offenem Hemdkragen oder zerrissener Jeans. Er macht Gesprächspartnern gerne Komplimente für ihre Kleidung oder ihre Turnschuhe.

          Rads Eltern sind in den siebziger Jahren aus dem Iran in die Vereinigten Staaten geflohen. Dort bauten sie das Amerika-Geschäft für ESI auf, ein von Rads Großvater gegründetes Unternehmen, das auf die Herstellung und den Vertrieb von elektronischen Geräten spezialisiert ist. Damit konnten sie ihrem Sohn ein privilegiertes Aufwachsen im Nobelviertel Bel Air in Los Angeles ermöglichen.

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