Burgen in der ehemaligen DDR : Die Schlossretter
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Fast ein Drittel der Ackerfläche neu verteilt
Im Unterbewusstsein sitzt noch die jahrzehntelange Propaganda der DDR gegen „die Junker“, gegen die nach dem Krieg so erbarmungslos vorgegangen wurde. „Rottet dieses Unkraut aus!“, stand auf dem Plakat, mit dem die Kommunisten in der Sowjetischen Besatzungszone die Enteignung und Entrechtung rechtfertigten. „Junkerland in Bauernhand“, lautete die Losung für die „demokratische Bodenreform“. Neben den Adeligen verloren auch alle anderen Bauern mit mehr als 100 Hektar Land ihren Besitz. Fast ein Drittel der Acker- und Forstfläche in Mitteldeutschland wurde neu verteilt und später in LPGs eingegliedert. Auch Zehntausende von Industriebetrieben nahm sich die DDR. Gutshäuser und Schlösser gab sie vielerorts bewusst dem Verfall preis. „Praktisch der gesamte unternehmerische Mittelstand wurde in der DDR nach und nach ausgemerzt“, sagt Below.
Der Schmerz, dass die SBZ-Enteignungen der Jahre 1945 bis 1949 anders als die Enteignungen der DDR von der Bundesrepublik nicht rückgängig gemacht wurden, treibt viele Alteigentümer bis heute um. „Das Unrecht bleibt bestehen“, sagt Manfred Graf von Schwerin. Der pensionierte Jurist und Werbefachmann baut in Plänitz bei Neustadt, einem Ort in Nordbrandenburg, in einem Gutshaus ein Dokumentationsarchiv auf. Ganz in der Nähe, in Kyritz, verkündete KPD-Chef Pieck am 2. September 1945 die Pläne zur „Bodenreform“. Berichte von fast tausend enteigneten und vertriebenen Familien haben der Graf und seine Mitstreiter gesammelt. Schwerin spricht hastig, wenn er vom endlosen Ringen mit der bundesdeutschen Politik und den Gerichten erzählt. Er kämpft dafür, den Alteigentümern jenes Land und jene Häuser zurückzugeben, die noch in Staatsbesitz sind. Die Regierung Helmut Kohl entschied aber, die SBZ-Enteignungen nicht anzutasten, da Russland dies zur Bedingung für die Wiedervereinigung gemacht habe. Allerdings dementierte Michail Gorbatschow, der letzte Präsident der Sowjetunion, dass es eine solche Bedingung gegeben habe.
Einer der Betroffenen ist Marc von Polier. Der hochgewachsene Herr mit weißem Haar spricht mit ruhiger Stimme: „Die Bundesrepublik ist ein Hehlerstaat“, sagt er, „denn er verkauft geklautes Gut.“ Er lächelt, doch es ist ein bitteres Lächeln. Zwölf Jahre war er alt, als die Rote Armee sich dem Gut Samow, 40 Kilometer östlich von Rostock, näherte. Die Familie floh, Polier wuchs in Holstein auf. Dort half er im neuen landwirtschaftlichen Betrieb. Die Sommer verbrachte er auf dem Mähdrescher. Nach einem BWL-Studium arbeitete er dreißig Jahre lang als Manager in Frankreich.
Als die DDR zusammenbrach, packte ihn das Heimweh. „Meine Pariser Freunde haben gesagt: Du bist verrückt, wenn du nach Mecklenburg gehst, doch ich wollte nach Hause.“ Dunkelbraun und düster war die Fassade des klassizistischen Hauses. Überall bröckelte der Putz, der Wind pfiff durch zerbrochene Fenster, durchs Dach tropfte Regen. „Meine Mutter ist fast krank geworden, so verlottert war das in diesem kommunistischen Paradies.“ Die DDR hatte nacheinander einen Kaufladen, eine Bücherei und einen Kindergarten im Gutshaus betrieben. 1990 gab es nur noch zwei Kinder.