Flüchtlinge auf dem Balkan : Im eiligen Land
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Nach Deutschland, nach Deutschland: Flüchtlinge an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien Bild: Imago
Zu Weihnachten wollen die Balkanländer die Flüchtlinge so schnell wie möglich loswerden. Doch die Zusammenarbeit der Behörden klappt nur mäßig. Und es wird immer kälter.
Fast jedes Flüchtlingslager auf dem Balkan bietet freien Internetzugang, in allen stehen Gestelle mit Dutzenden von Steckdosen bereit, um Mobiltelefone aufzuladen. Doch noch längst nicht jede Unterkunft verfügt über Heizungen und Holzböden, einige Lagerplätze verwandeln sich bei Schnee und Regen in Schlammwüsten.
In der Anlage im mazedonischen Gevgelija an der Grenze zu Griechenland ist in der vergangenen Nacht wieder einmal der Strom ausgefallen. Da die Heizungen elektrisch laufen, sanken die Temperaturen in den Zelten und Hütten unter den Gefrierpunkt. Mit Stapeln von Decken des Roten Kreuzes hat Mahmoud Fathy sich selbst, seine Schwester Faizah und deren sechs Kinder so gut es ging warm gehalten, dazu gab es Tee aus Thermoskannen.
Die acht Iraker sind vor dem Terror und dem Krieg aus ihrer Heimatstadt Mossul geflüchtet, zuerst in die Türkei, dann nach Griechenland und Mazedonien, 2400 Kilometer in zehn Tagen. Die nächsten 1000 Kilometer wird alles viel schneller gehen, in kaum zwei Tagen dürften sie den westlichen Balkan durchqueren, von Mazedonien über Serbien und Kroatien bis Slowenien. Von dort geht es via Österreich nach Deutschland, wo Faizahs Mann ungeduldig auf sie wartet.
Er hat gehört, dass es schwerer wird, die Angehörigen nachzuholen, deshalb sollen sie sich beeilen. Das tun sie, und die Behörden auf dem Weg geben sich alle Mühe, dabei zu helfen. Die Transitstaaten möchten die ungebetenen Gäste so schnell wie möglich loswerden, weiterreichen an das nächste Glied in der Kette. Zu den Feiertagen um Weihnachten und Neujahr, wenn es das Personal knapp wird, soll die Abfertigung perfektioniert sein.
Innerhalb der einzelnen Staaten ist der Ablauf jetzt schon so ausgefeilt, dass die Reisenden an jedem Standort nur wenige Stunden zubringen. Geschlafen wird zumeist nicht in den Lagern, sondern in den Zügen, Bussen oder Taxis. Wer den Weg der Menschen nach Norden abfährt, von Grenze zu Grenze, Lager zu Lager, wird erleben, dass das verpönte Bild der „Flüchtlingsflut“ zumindest im Sinne der Gezeitenfolge stimmt. Es herrscht Ebbe, wenn die Züge und Busse abgefahren sind, nur die Helfer bleiben zurück sowie einige wenige Migranten, die krank sind oder auf Familienmitglieder warten.
Nur noch Syrer, Iraker und Afghanen
Doch sobald die nächsten Transporte anlangen, füllen sich schlagartig die mit Gittern abgesperrten Wege, die zu den Sicherheitskontrollen und Registrierungsstellen führen. Nichtregierungsorganisationen reichen Lebensmittel, Kleidung oder Windeln aus, in den Zelten des Kinderhilfswerks Unicef quietschen Jungen und Mädchen vor Vergnügen, während sie Sterne und Girlanden basteln.
Es sind derzeit mehr Mütter mit Kindern unterwegs als sonst, berichten die Helfer. Vielleicht wegen der Planungen zum begrenzten Familiennachzug, vielleicht auch, weil die Väter und die vielen jungen, ungebundenen Männer bisher schneller und mobiler waren. Insgesamt aber sinken die Flüchtlingszahlen, sagt Markus Topp, der leitende Schutzbeauftragte des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen UNHCR in Mazedonien.
„Wir zählen jetzt 2000 bis 2500 Personen am Tag, halb so viele wie vor einem Monat“, sagt der Däne, „das hat sicher auch mit der neuen Politik zu tun, wen die Länder hineinlassen.“ Seit Mitte November nehmen Mazedonien, Serbien und Kroatien nur noch Syrer, Iraker und Afghanen auf. Alle anderen Nationalitäten werden als „Wirtschaftsflüchtlinge“ abgewiesen.