Ärger um Sachverständigenrat : „Ein wissenschaftliches Leichtgewicht“
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Volkswirtschaftsprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin: Achim Truger Bild: Ullstein
Der Volkswirtschaftsprofessor Achim Truger soll „Wirtschaftsweiser“ werden – prompt gibt es heftigen Widerspruch.
Der Name ist bislang nur in der Fachwelt bekannt, doch schon bald dürfte die Bekanntheit von Achim Truger rapide zunehmen. Denn der Volkswirtschaftsprofessor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) soll im kommenden Frühjahr in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung einziehen. Die Gewerkschaften, die genau wie die Arbeitgeber jeweils einen der fünf „Wirtschaftsweisen“ nominieren können, haben sich auf die Personalie verständigt.
Truger soll dem Würzburger Forscher Peter Bofinger – der linken Stimme in dem Rat – nachfolgen, der im Februar 2019 nach fünfzehn Jahren aus dem Gremium ausscheidet, berichtet das „Handelsblatt“. Der Sachverständigenrat hat die Aufgabe, die Bundesregierung zu beraten. Außerdem veröffentlicht der Rat jedes Jahr ein vielbeachtetes Jahresgutachten zur wirtschaftlichen Lage und zu wichtigen wirtschaftspolitischen Themen. Ob die Bundesregierung nun dem Gewerkschaftsvorschlag folgt und Truger dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zur Berufung vorschlägt, ist aktuell noch offen. Allerdings war dies in der Vergangenheit stets nur eine Formalie.
Der 49 Jahre alte Makroökonom, der mehr als ein Jahrzehnt das Referat für Steuer- und Finanzpolitik des gewerkschaftsnahen Forschungsinstituts IMK in Düsseldorf geleitet hat, hat inhaltlich große Differenzen zu den übrigen vier Mitgliedern des Rates. Truger ist ein Kritiker der Austeritätspolitik, er argumentiert in Forschungsarbeiten und Debattenbeiträgen gegen die Schuldenbremse an. Diese könne in wirtschaftlich schlechteren Zeiten verhindern, dass der Staat genügend investiert. Truger spricht sich zudem gegen die ersatzlose Streichung des Solidaritätszuschlags aus, für dessen Abschaffung sich der Rat zuletzt starkgemacht hatte.
Und wieder keine Frau
Unter ordnungspolitisch orientierten deutschen Ökonomen löste Trugers Nominierung teils scharfe Kritik aus. „Die Gewerkschaften entsenden ein wissenschaftliches Leichtgewicht, der kaum auf Augenhöhe mit den anderen vier Mitgliedern diskutieren kann“, sagte der Düsseldorfer Wirtschaftsprofessor Justus Haucap der F.A.Z. Im Grunde gestehe sich der Deutsche Gewerkschaftsbund damit ein, „dass es für gewerkschaftsnahe Positionen keinen Rückhalt durch irgendeinen wissenschaftlich halbwegs ausgewiesenen Ökonomen gibt“. Haucap verglich die Nominierung Trugers, der es im aktuellen Ökonomenranking der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nicht unter die ersten hundert geschafft hat, damit, dass der Fußball-Bundestrainer den Kapitän des zweitklassigen MSV Duisburg in die Nationalmannschaft berufe.
Auch Isabel Schnabel, die das einzige weibliche Mitglied des Rats ist, übte indirekt Kritik. Die wissenschaftliche Qualifikation müsse für die Berufung an oberster Stelle stehen, ansonsten könne der Rat seinem Qualitätsanspruch nicht gerecht werden. „Veröffentlichungen in angesehenen internationalen Fachzeitschriften können diese Qualifikation am besten belegen“, schrieb Schnabel auf Twitter.
Für Gesprächsstoff dürfte auch sorgen, dass die Gewerkschaften sich auf einen männlichen Kandidaten geeinigt haben. Schon als Anfang des Jahres über die Wiederberufung des Frankfurter Geldpolitikfachmanns Volker Wieland diskutiert wurde, soll das von der SPD geführte Bundesfamilienministerium auf eine weitere Frau im Sachverständigenrat gepocht haben, was Wielands Berufung verzögert hatte.