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Warnstreiks am Dienstag : So will Verdi den Flugverkehr lahmlegen

Flugreisenden steht an acht deutschen Flughäfen ein Tag mit Verzögerungen und Ausfällen bis hin zum Stillstand bevor. Bild: dpa

Mit einem Warnstreik des Sicherheitspersonals am Dienstag an acht deutschen Flughäfen will Verdi ein verbessertes Angebot erzwingen. Über 200.000 Reisenden sind betroffen. Die Branche reagiert verärgert.

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          Flugreisenden steht am Dienstag wegen Arbeitsniederlegungen des Sicherheitspersonals an acht deutschen Flughäfen ein Tag mit Verzögerungen und Ausfällen bis hin zum Stillstand bevor. Der Konflikt über die Bezahlung der Luftsicherheitsassistenten droht damit für die größten Streikfolgen an einem Tag seit dem 2017 beigelegten Tarifstreit für die Lufthansa-Piloten zu sorgen.

          Timo Kotowski
          Redakteur in der Wirtschaft.

          Die Branche reagierte verärgert auf die Ankündigung der Gewerkschaft Verdi, die nicht zum regulären Ausstand, sondern nur zum Warnstreik aufruft. „Das ist kein Warnstreik mehr, das ist völlig unverhältnismäßig“, sagte Matthias von Randow, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). Ralph Beisel, der Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbands ADV, sagte: „Es ist unverantwortlich von Verdi, die Streiks bis zum Exzess auszudehnen.“

          Die Gewerkschaft hatte mitgeteilt, den für Dienstag angekündigten Ausstand an Deutschlands größtem Flughafen in Frankfurt nahezu ganztags auf München, Hamburg, Leipzig, Dresden, Erfurt, Bremen und Hannover auszudehnen. Verdi begründete dies damit, dass die Arbeitgeber keine Bereitschaft signalisiert hätten, ein verbessertes Angebot vorzulegen. An den Streikorten werden Passagiere gar nicht oder nur mit sehr langen Wartezeiten Kontrollen auf dem Weg zum Flugzeug passieren können.

          Hunderte Flüge werden deshalb abgesagt oder verschoben. Nach einer ADV-Schätzung betrifft das 220.000 Reisende. Da Verdi und die Verhandler des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS) nach bisherigem Zeitplan erst am 23. Januar wieder zusammenkommen, befürchten Fluggesellschaften und Flughäfen weitere Störungen für die nächsten Tage.

          Die Deutsche Lufthansa bietet an, auf andere Flüge umzubuchen

          Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport hat für Dienstag angekündigt, dass bis 20 Uhr wohl keine Reisen angetreten werden können und nur der Betrieb für Umsteiger aufrechterhalten werden kann. Fluggesellschaften informieren im Internet. Die Deutsche Lufthansa bietet an, auf andere Flüge bis zum 20. Januar umzubuchen. Der Reisekonzern TUI, der Flüge mit der Gesellschaft TUI Fly meist im Paket mit kompletten Urlauben verkauft, verschiebt mehrere Starts von Hannover und Frankfurt zu den nicht bestreikten Flughäfen Paderborn und Karlsruhe.

          Urlauber sollen mit Bussen dorthin gebracht werden. Schon in der vergangenen Woche hatten Warnstreiks in Berlin, Düsseldorf, Köln und Stuttgart zu mehr als 600 Flugausfällen geführt.

          In dem Tarifstreit geht es um die Vergütung der Luftsicherheitsassistenten. Die 23000 Beschäftigten privater Sicherheitsunternehmen führen unter anderem Passagierkontrollen im Auftrag der Bundespolizei durch. Die Flughäfen sehen sich daher „als Schauplatz in einem Arbeitskampf missbraucht, bei dem sie noch nicht einmal Tarifpartei sind“. Der Arbeitsgeberverband BDLS hatte vor Weihnachten eine Erhöhung um 2 bis 6,4 Prozent im Jahr angeboten. Verdi erklärte dazu, auf dieser Grundlage sei ein Tarifkompromiss nicht möglich.

          Die Gewerkschaft fordert einen Stundengrundlohn ohne Zuschläge von 20 Euro, was einem Anstieg um 16 bis 55 Prozent entspräche. Die Gewerkschaft DBB fordert 19,50 Euro je Stunde. Kompliziert wird der Konflikt, weil erstmals über einen Tarifvertrag für Beschäftigte in ganz Deutschland verhandelt wird und nicht – wie zuvor – länderweise. Über diesen Schwenk waren sich die Kontrahenten noch einig. Verdi pocht aber auf eine Angleichung zwischen Ost und West sowie für Reisenden- und Personalkontrollen. Die Arbeitgeber schlagen ein bis 2024 gestrecktes Stufenmodell vor.

          Die Qualität ist nicht mit dem Lohnniveau gewachsen

          Flughäfen und Fluggesellschaften befürchten mittlerweile, dass der eskalierende Konflikt nicht nur kurzfristig Reisende vom Fliegen abhält, sondern Sicherheitskontrollstellen für Passagiere als Dauerärgernis erscheinen lässt. 2018, das als Chaosjahr für die deutsche Luftfahrt gilt, hatten Tausende Passagiere ihre Flüge verpasst, weil sie in langen Schlangen vor den Prüfungen warten mussten. „Die nun völlig aus dem Ruder laufende Ausweitung der Streiks zu massiven Flächenstreiks konterkariert das Ziel, die Effizienz, Kundenzufriedenheit und Mitarbeiterzufriedenheit in Deutschland deutlich zu erhöhen“, sagte BDL-Hauptgeschäftsführer von Randow.

          Die Branche hatte sich im Oktober auf dem Luftfahrtgipfel mit Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) auf eine Reform verständigt. In Nachbarländern werden aktuell doppelt so viele Passagiere in einer Stunde an einer Kontrollstelle überprüft wie hierzulande. Die Löhne des Personals waren jedoch stetig gestiegen. Erhielt ein angelernter Sicherheitsassistent in Frankfurt 2011 einen Lohn von 10,95 Euro je Stunde, sind es bislang 17,13 Euro. „Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass die Qualität nicht mit dem Lohnniveau mitgewachsen ist“, sagte von Randow.

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