Experten beruhigen : Gasversorgung könnte Ausfall russischer Importe überstehen
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Experten rechnen nicht damit, dass es in deutschen Wohnungen bald kalt wird. Bild: dpa
Wenn die Temperaturen milde blieben, könnte eine Knappheit vermieden werden, so der Branchenverband der Speicherunternehmen. Auch beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung rechnet man nicht mit „kalten Wohnungen in Deutschland“. Allerdings könnten die Preise steigen.
Unter bestimmten Bedingungen könnte die deutsche Gasversorgung in den kommenden Tagen und Wochen einen Ausfall aller russischen Gasimporte überstehen. Davon geht der Branchenverband der Speicherunternehmen, die Initiative Energien Speichern (INES), aus. Bedingung sei, dass die Temperaturen weiterhin mild blieben und ausreichend Flüssig-Erdgas (LNG) für den EU-Binnenmarkt verfügbar sei, sagte Verbandsgeschäftsführer Sebastian Bleschke der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Da eine solche Situation in der Vergangenheit bislang noch nicht aufgetreten ist, bleibt allerdings eine gewisse Unsicherheit bestehen.“
Die Füllstände der Speicher in Deutschland hätten am vergangenen Sonntag bei rund 31 Prozent gelegen. „Die Füllstände sind also weiterhin sehr niedrig, aber nicht mehr historisch tief.“
Kosten werden verzögert an Verbraucher weitergegeben
Laut INES gibt es in Deutschland 47 Untertagespeicher, die von rund 25 Firmen betrieben werden. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit eine Art Puffersystem für den Gasmarkt. Sie ergänzen den laufenden Gasbezug aus dem Pipeline-Import. Die größten Importländer sind Russland, Norwegen und die Niederlande.
Mögliche Sanktionen gegen Russland im Energiebereich würden in jedem Fall auch europäische Verbraucher treffen, sagte Timm Kehler, Vorstand des Branchenverbands Zukunft Gas, der Deutschen Presse-Agentur. Preissteigerungen würden mittels langfristiger Verträge verzögert an die Verbraucher weitergegeben.
„Wir sind inmitten eines fossilen Krieges“
Die Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, sieht keine unmittelbare Krise in der deutschen Gasversorgung wegen der Zuspitzung des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine. Ob Deutschland seinen Gasverbrauch drosseln müsste, hänge davon ab, „ob und wann es zu Lieferunterbrechungen oder gar Ausfällen kommt“, sagte Kemfert der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Ohne Frage sind wir in einer ernsten Situation, inmitten eines fossilen Krieges.“
Deutschland könne aber einen Teil seines Gases aus anderen Quellen beziehen. „Zudem sind wir am Ende des Winters.“ Es sei deshalb unwahrscheinlich, dass es kalt werden könnte in deutschen Wohnungen.
Deutschland deckt nach den Worten von Kemfert etwas mehr als 50 Prozent seines Gasbedarfs durch Importe aus Russland, außerdem etwa 30 Prozent des Ölbedarfs. Sie betonte vor diesem Hintergrund: „Die beste Antwort auf fossile Energiekriege ist die Energiewende mit mehr erneuerbaren Energien und Energiesparen.“
Staat soll für bezahlbare Energiepreise sorgen
Zwei Dinge sollte der Staat ihrer Ansicht nach tun, um für bezahlbare Energiepreise zu sorgen: „Erstens: erneuerbare Energien ausbauen und das Energiesparen fördern. Und zweitens: die CO2-Einnahmen pro Kopf an die Haushalte rückerstatten.“ Dies entlaste vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen.
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistengebiete in der Ostukraine anerkannt. Er kündigte zudem an, russische Soldaten zu entsenden, um den „Frieden“ in den Gebieten zu sichern.
Als Reaktion darauf erließen die USA und die EU umfassende Finanzsanktionen gegen Russland und die Separatisten. Auf Anweisung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wurde das Genehmigungsverfahren für die Pipeline Nord Stream 2 vorerst gestoppt, die russisches Erdgas durch die Ostsee nach Deutschland und in andere Länder befördern soll.