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Ein besonderes Fach : Reiten in der Schule

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Aufs richtige Pferd gesetzt: Schüler der Prinz-von-Homburg-Schule bei der jährlichen Hengstparade Bild: Susanne Weiffenbach

Die staatliche Prinz-von-Homburg-Schule aus Brandenburg bietet das Fach Reiten auf sehr hohem Niveau an. Die ländliche Region profitiert davon auch finanziell.

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          Im brandenburgischen Neustadt (Dosse) befindet sich nach Angaben der Deutschen Reiterlichen Vereinigung die einzige staatliche Schule in Deutschland, die eine professionelle Ausbildung für Reiter als Schulfach anbietet. Seit 2001 wird an der Prinz-von-Homburg-Schule, einer Gesamtschule, in enger Zusammenarbeit mit der Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt und dem Amt Neustadt Reitunterricht erteilt.

          Die Infrastruktur dafür – Gestüt, Schule, Internate und Reithalle – erinnert an einen Universitätscampus. 2009 genehmigte das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport die Errichtung einer Spezialklasse Reitsport und verlieh das Prädikat „Schule besonderer Prägung“. Seit 2019 ist das Projekt sogar im neuen Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD und Grünen verankert.

          Reiten ist in Neustadt bis zur 10. Klasse ein selbständiges Schulfach. Noten gibt es für Theorie und Praxis. Das Ziel ist, ein dauerhaftes Interesse am Leistungssport zu vermitteln und auf sportliche Spitzenleistungen vorzubereiten. Ab der 11. Klasse steht Reiten nicht mehr als separates Fach auf dem Zeugnis, sondern ist Teil der allgemeinen Sportnote.

          Auswahl über Eignungstests

          „In der Sek. II besteht die Möglichkeit, das Training zu intensivieren und individuell auf die Bedürfnisse der Schüler auszurichten“, sagt Peter Fröhlich, der Vorsitzende des Lenkungsstabs des Projekts und Geschäftsführer des Landesverbandes Pferdesport Berlin-Brandenburg e.V. Ein großer Vorteil sei, dass sich in Neustadt der Landesstützpunkt des Pferdesportverbandes befinde. Deshalb seien regelmäßig qualifizierte Trainer vor Ort.

          Vor der Zulassung in die Spezialklasse müssen Eignungstests in Springen und Dressur absolviert werden. Zusätzlich wird der gesundheitliche Zustand begutachtet und später von der Universität Potsdam jährlich kontrolliert. Von der 9. Klasse an wird wegen der anvisierten regelmäßigen Teilnahme an Turnieren die Anschaffung eines eigenen Pferdes oder zumindest eine Reitbeteiligung Pflicht.

          Viele Schüler sind schon während ihrer Schulzeit erfolgreiche Turnierreiter, einige werden nach dem Abschluss Berufsreiter oder gehen zur Sportschule der Bundeswehr. Fröhlich sieht das Schulfach als Chance, relativ früh Zugang zu jungen Reittalenten aus ganz Deutschland zu bekommen.

          Geld für auswärtige Schüler

          Die Einrichtung dieses besonderen Fachs habe die Stadt mit ihren rund 3500 Einwohnern ordentlich aufgemischt, erzählt Kathrin Lorenz, die Leiterin des Projektes im Amt Neustadt (Dosse). „Der Schulstandort Neustadt (Dosse) entwickelte sich während der gesamten Zeit als überregionaler Schwerpunkt, der beachtlich dazu beitrug, Arbeitsplätze zu schaffen, die Infrastruktur zu fördern, der negativen demographischen Entwicklung entgegenzusteuern und den Bekanntheitsgrad Neustadts als ,Stadt der Pferde‘ bedeutend zu erweitern“, sagt sie.

          Der Schulträger erhält nach dem Finanzausgleichsgesetz seit 2010 für alle Schüler, die außerhalb des Landes Brandenburg ihren Wohnsitz haben, aber in Neustadt die Schule besuchen, einen erhöhten Schullastenausgleich. Im Jahr 2019 galt dies nach Angaben von Lorenz für 27 Schüler, die eine Ausgleichszahlung von etwa 57.000 Euro einbrachten. Insgesamt hat die Schule rund 730 Schüler. Derzeit kommen drei Reitschüler aus Thailand, und eine Schülerin kommt aus Österreich. Andere Schüler haben Familien, die im Ausland leben.

          65 Lehrer unterrichten an der Schule. Ein großer Teil würde ohne die Spezialklassen nicht gebraucht. „Ohne das Spezialfach und die damit verbundene besondere Prägung wäre der Schulstandort mit den jetzigen Bedingungen nicht zu halten“, sagt Schulleiter Ronald Roggelin. Die Ausstattung sei im Vergleich mit den umliegenden Orten besser und die gymnasiale Oberstufe ohne die Reiter kaum zu realisieren.

          Finanzkraft fließt in die Region

          Von der 7. bis zur 13. Klasse erhalten mehr als 100 Jugendliche Reitunterricht von acht speziell ausgebildeten Lehrertrainern, die überwiegend in die ländliche Region gezogen sind und Finanzkraft mitbringen.

          Die in Neustadt ansässige Stiftung Brandenburgisches Haupt- und Landgestüt mit 65 Mitarbeitern und 20 Auszubildenden erhält jährlich vom Schulträger rund 150.000 Euro für die Durchführung des Faches Reiten auf dem Gestütsgelände, für die Nutzung der Reithallen und -plätze, für die Schulpferde und für die Unterstützung durch die Gestütstrainer zusätzlich zu den Lehrertrainern, wie Lorenz berichtet.

          Da nicht alle Schüler ihre Pferde auf dem Gestütsgelände unterbringen, fließen jedes Jahr mehr als 170.000 Euro an private Vermieter von Pferdeboxen in der Region, schätzt das Amt. Eine Pferdebox kostet zwischen 250 und 380 Euro monatlich. Die Pferde müssen auch zum Hufschmied und Tierarzt und werden individuell gefüttert. In der Neustädter Boutique „Ross & Reiter“ kaufen nicht nur die Schüler, sondern auch Freunde, Familien und Gäste Zubehör wie Bürsten und Trensen oder eine neue Reitjacke. Lorenz beziffert den zusätzlichen Umsatz für die Region auf gut 2 Millionen Euro im Jahr. Durch das Projekt sind viele zusätzliche Arbeitsplätze entstanden.

          Unterbringung in Internaten

          Ein Beispiel ist auch die Versorgung der Jugendlichen in zwei Internaten. In der „Mühle Spiegelberg“ und im „Schloss Spiegelberg“ arbeiten 24 Mitarbeiter in den Bereichen Erziehung, Service und Technik. Daraus resultiere mit gut 490.000 Euro im Jahr für Löhne und Gehälter ein Wirtschaftsfaktor, der zum größten Teil in der Region bleibe, sagt Lorenz. Die Unterbringung in einem der beiden Internate kostet zwischen 650 und 690 Euro im Monat. Es gibt Doppel- und Einzelzimmer. Für die Verpflegung fallen 12 Euro am Tag an.

          Durch die Vermietung von Privatwohnungen zum Beispiel an volljährige Schüler und Mitarbeiter der Betriebe entstehe zudem eine Wertschöpfung von mehreren hunderttausend Euro, sagt Lorenz. An den Wochenenden kommen außerdem öfter die Familien der Schüler zu Besuch, um sie auf Turniere zu begleiten. Marc Müller, der Eigentümer des Parkhotels, freut sich, dass seine zwanzig Zimmer regelmäßig von Angehörigen und Gästen des Gestüts oder der Schüler belegt sind.

          Der Artikel stammt aus dem Schülerprojekt „Jugend und Wirtschaft“, das die F.A.Z. gemeinsam mit dem Bundesverband deutscher Banken veranstaltet.

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