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Konjunktur-Kommentar : Unsanfte Erinnerung

  • -Aktualisiert am

Auch von ihm kamen beschwichtigende Worte: Wirtschaftsminister Peter Altmaier Bild: dpa

Die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Sommer ist im Vergleich zum Frühjahr gesunken. Schnell kommen beruhigende Worte aus der Politik – dabei hat diese eine Mitverantwortung zu tragen.

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          Ein Minus macht noch keine Rezession. Allerdings erinnert das ungewohnte Vorzeichen vor einer deutschen Konjunkturmeldung unsanft daran, dass die Wirtschaft selbst hierzulande nicht nur eine Richtung kennt. Sie mag seit Mitte 2015 Quartal für Quartal gewachsen sein, auch ist an den Jahresringen das neunte Aufschwungjahr abzuzählen und das zehnte quasi versprochen, aber es gilt: Diese Erfolgsserie kann reißen.

          Vom Bundesbankpräsidenten über den Wirtschaftsminister und die Ökonomenzunft ist die Schrumpfung der Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent im Sommer gegenüber dem Frühjahr mit beruhigenden Worten kommentiert worden. In erster Linie sieht man die „Schuld“ bei der Autoindustrie, die durch die Umstellung auf härtere Abgastests weniger Fahrzeuge verkauft hat. Diese Delle lasse sich überwinden, wenn das Nadelöhr des neuen Messverfahrens erst beseitigt sei, heißt es optimistisch. Gut möglich, aber wer Augen hat, sieht hier eben nicht nur einseitiges Versagen der Autokonzerne, sondern auch die Hand des nicht besonders glücklich und stringent regulierenden Staates. An der kleinen Bremsspur im Wachstum ist die übereifrige Klima- und Umweltschutzpolitik zumindest mitbeteiligt.

          Enorme Sozialpakete

          Größere Risiken für den Aufschwung zeichnen sich durch den leergefegten Arbeitsmarkt ab. Auch hier haftet die Politik mit. Zwar hat sie die Bildungsausgaben auf vielen Ebenen erhöht und mit dem Ausbau der Kinderbetreuung einiges getan, um Beschäftigungsreserven zu erschließen. Zugleich haben Union und SPD aber mit der geförderten Frührente mit 63 den Fachpersonalengpass verschärft, während die Lockerung der Zuwanderungsregeln auf sich warten lässt.

          Etwaige Sorgen, die durch Handelskonflikte und Brexit aufkommen könnten, erstickt die große Koalition durch enorme Sozialpakete. All die zumeist ohne besondere Gegenleistung verteilten zusätzlichen Milliarden für Pflegepersonal, Langzeitarbeitslose, Studenten, Rentner, Familien oder Kohlekumpel dürften den Konsum vorerst stabilisieren. Fatal ist das Signal der Staatshilfe: Alles scheint finanzierbar, bis in die Mittelschicht steigen mühelos die Transfers. Schon liebäugelt selbst die SPD mit einem bedingungslosen Grundeinkommen. Wer aber künftig wettbewerbsfähige Unternehmen will, darf den Leistungsgedanken nicht diskreditieren. Und er muss die finanziellen und regulatorischen Grenzen der Wirtschaft respektieren. Auch daran erinnert die Wachstumsschramme.

          Heike Göbel
          Verantwortliche Redakteurin für Wirtschaftspolitik, zuständig für „Die Ordnung der Wirtschaft“.

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