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Wirtschaftslage in den USA : Amerika steht am Rande der Rezession

Ist die Wirtschaftslage in den USA tatsächlich so rosig? (Symbolfoto) Bild: Getty

Günstige Energie und Subventionen machen Amerika zum Sehnsuchtsort deutscher Konzerne. Doch konjunkturell ist die Lage nicht rosig. Wie es weiter geht, hängt vor allem von den Amerikanern selbst ab.

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          Die Vorstellung, dass die amerikanische Volkswirtschaft den Rest der Welt hinter sich lässt dank gewaltiger staatlicher Investitionen in Halbleiter, Elektroautos, sauberer Energie und Infrastruktur, wird vom Weißen Haus täglich mit neuen Erfolgsmeldungen gespeist. In Wirklichkeit schrammen die USA in diesem Jahr an einer Rezession vorbei, wenn es gut läuft.

          Winand von Petersdorff-Campen
          Wirtschaftskorrespondent in Washington.

          Neue Konjunkturdaten deuten immerhin darauf hin, dass die Vereinigten Staaten Grund zu Optimismus haben. Das vorige Jahr endete nach Regierungsangaben mit einem soliden Wirtschaftswachstum von 2,1 Prozent nach 5,9 Prozent im Jahr davor. Nach schwachem Beginn 2022 betrug das annualisierte Wachstum im letzten Quartal des Jahres 2,9 Prozent nach 3,2 Prozent im Vierteljahr davor.

          Eine wichtige Frage lautet, wie sich der Konsum entwickelt. Verbraucherausgaben repräsentieren rund zwei Drittel der amerikanischen Volkswirtschaft und spielen damit eine größere Rolle als in den meisten Ländern. Hier registrieren die Ökonomen deutlichen Rückenwind.

          Hatte die Inflation über eine längere Phase hinweg die Lohnsteigerungen aufgefressen, begann sich das Bild Mitte vorigen Jahres zu wandeln. Seitdem geht die Inflation leicht zurück, während Löhne weiter stiegen. Reallohnzuwächse erhöhen das Einkommen, das Amerikaner für Konsumausgaben zur Verfügung haben.

          Zurück zum Trend der Vor-Corona-Zeit

          Für das vergangene Quartal verzeichneten die Statistiker ein Konsumwachstum von 2,1 Prozent. Der Konsum schneidet seit mehreren Quartalen besser ab, als die Ökonomen etwa des Congressional Budget Office vorhersagen. Die amerikanische Wirtschaft hat damit die Wachstumstrend-Linie erreicht, welche diese Einrichtung vor dem Ausbruch der Pandemie vorgezeichnet hatte. Die Investitionen dagegen schwächeln, vor allem werden wegen der höheren Zinsen weniger Häuser gebaut.

          Der Immobiliensektor ist traditionell der erste, der die Straffung der Geldpolitik durch die Federal Reserve deutlich spürt. Die Notenbank hatte die Leitzinsen 2022 um 4,25 Prozentpunkte angehoben, um die Inflation zu dämpfen. Eine geldpolitische Straffung wirkt immer mit einer Verzögerung von grob einem Jahr.

          Das bedeutet, dass noch nicht ganz klar ist, wie stark der Konjunkturdämpfer infolge der Leitzinserhöhungen wirklich sein wird. Aber Umfragen in Industrie und im Dienstleistungssektor weisen auf eine deutlich verschlechterte Stimmung, auch wenn diese sich in den harten Konjunkturdaten noch nicht zeigt. Der Konsum in einigen Warengruppen wie etwa Möbeln hat zuletzt ebenfalls spürbar nachgelassen.

          Verwirrende Zeichen vom Arbeitsmarkt

          Verwirrend und zugleich maßgeblich dafür, ob die USA in eine Rezession schlittern, bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote ist mit 3,5 Prozent historisch niedrig. Neue Arbeitslosmeldungen, ein Indikator für Krisen, haben zwar im Dezember und Januar zahlenmäßig zugelegt, liegen aber noch im normalen Bereich. Die Massenentlassungen der Technologiekonzerne erwecken den Eindruck, der Niedergang sei nun unvermeidlich. Die Daten geben das allerdings bisher nicht wieder. Den grob sechs Millionen Arbeitslosen in den Vereinigten Staaten stehen zehn Millionen offene Stellen gegenüber. Immer noch suchen viele Arbeitgeber nach Beschäftigten.

          Die Entlassungswelle der Silicon-Valley-Konzerne könnte sogar den positiven Effekt haben, dass andere Branchen wie die Autoindustrie ihren Fachkräftemangel im IT-Bereich ausgleichen können. Das deutet nicht auf Krisenerwartungen. Andere Indikatoren schmecken mehr nach Rezession: So sinkt seit knapp einem halben Jahr die Anzahl der Arbeitnehmer in befristeter Beschäftigung, zeigt Commerzbank Research. Mit Zeitarbeitern managen Firmen Konjunkturschwankungen. Ein Rückgang wie der aktuell registrierte ist nach Angaben von Commerzbank-Ökonomen bisher ein Vorbote einer Rezession gewesen.

          Leichter Rückenwind kommt aus der EU und China. Es mehren sich die Anzeichen, dass die EU eine Rezession vermeiden kann und damit weiter viel amerikanischer Güter und Dienste bestellt. Für China werden die Konjunkturprognosen nach oben korrigiert, seit das Land den radikalen Schwenk in der Pandemiepolitik unternommen hat. Die meisten Ökonomen gehen immer noch davon aus, dass die USA eine Rezession erleben werden, wenn auch eine milde – und merkwürdige: Eine Rezession nahe der Vollbeschäftigung scheint nicht ausgeschlossen.

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