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Mögliche Interessenkonflikte : Brüssel verklagt Deutschland wegen Energiegesetzen

Zwei Reihen von Hochspannungsmasten bei Brokdorf. Bild: dpa

Die EU-Kommission hält die Bundesnetzagentur für nicht unabhängig genug. Sollte der EuGH der Klage stattgeben, wäre Deutschland endgültig zu einer Gesetzesänderung gezwungen.

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          Deutschland muss womöglich die Rechtsgrundlage für die Energieregulierung auf eine neue Grundlage stellen, weil die aktuell gültigen Regeln gegen europäisches Recht verstoßen. Die EU-Kommission hat Deutschland am Donnerstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, weil das deutsche Recht nach ihrer Meinung gegen das Dritte Energiepaket der EU verstößt. Es müsse sichergestellt werden, dass die EU-Richtlinien für Strom und Gas ordnungsgemäß immer in nationales Recht umgesetzt würden, teilte die Behörde in einer kurzen Notiz mit.

          Werner Mussler
          Wirtschaftskorrespondent in Brüssel.

          Die Richtlinie aus dem Jahr 2009 soll für mehr Wettbewerb und niedrigere Preise auf den Energiemärkten sorgen. Sollte der EuGH der Klage stattgeben, wäre Deutschland endgültig zu einer Gesetzesänderung gezwungen. In einem ähnlichen Verfahren in Sachen Telekommunikation hatte die Bundesregierung schon vor einigen Jahren eine Niederlage erlitten.

          Die Kommission geht mit der Klage an den Kern der Bestimmungen zur Netzregulierung in Deutschland. Zum einen moniert sie, dass die Bundesnetzagentur nicht so unabhängig ist, wie es die EU-Richtlinie vorsieht. Die Behörde könne die Netzentgelte und andere Vertragsbedingungen für den Netzzugang und Ausgleichsleistungen nicht unabhängig fixieren. Für die Festlegung dieser Bedingungen sei vielmehr – teilweise bis ins Detail – die Bundesregierung zuständig.

          Bestehen Interessenkonflikte?

          Zum anderen erkennt die Kommission Mängel bei den deutschen Vorgaben zur Trennung von Energieerzeugung und Übertragungsnetzen. Zweck der Entflechtung ist, dass Netze grundsätzlich gegen Gebühr auch von Konkurrenten genutzt werden können, was in der Regel mehr Anbieter, mehr Konkurrenz und niedrigere Preise bedeutet.

          Der Streit über die Umsetzung der Vorgaben aus dem sogenannten Dritten Energiepaket zieht sich seit Jahren hin. Die Kommission hatte erstmals im Februar 2015 in Berlin Änderungen angemahnt, im April 2016 abermals. „Da das EU-Recht noch immer nicht eingehalten wird, muss die Kommission den Gerichtshof mit diesen Angelegenheiten befassen“, hieß es in der Mitteilung aus Brüssel.

          Die Bundesregierung entgegnete, sie habe im laufenden Verfahren zuletzt im August 2016 zu den Brüsseler Vorwürfen Stellung genommen. „Wir haben die Rechtmäßigkeit des nationalen Rechts dargelegt“, teilte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums auf Anfrage mit. „Ein Klagebeschluss bedeutet nicht, dass die Bundesregierung tatsächlich gegen Unionsrecht verstoßen hat. Eine solche Feststellung kann nur der Europäische Gerichtshof treffen.“

          Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft, der die Wettbewerber der großen Energieversorger vertritt, begrüßte die Brüsseler Entscheidung. Geschäftsführer Robert Busch sagte in Berlin, die Stärkung der Regulierungsbehörde sei notwendig. „Es darf nicht übersehen werden, dass noch immer ein großer Teil der Verteilnetzbetreiber im Eigentum der öffentlichen Hand ist und damit Interessenkonflikte bestehen, die nur durch eine unabhängige Behörde mit weitgehenden Befugnissen aufgelöst werden können.“

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